Juristenpraxis: Trainings-Gerichtssaal in Wien eröffnet

(c) ERWIN SCHUH
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Im 4. Bezirk in Wien gibt es nun einen simulierten Gerichtssaal, in dem künftige Anwälte ihre Causen durchspielen können. Nicht nur sie: Auch künftige Laienrichter üben dort den Einsatz im Echtfall.

Die meisten wollten den Platzwart. Konkret seinen Fall: Der Fußballplatz, an dem besagter Platzwart tätig ist, gehört nun einer Immobilienfirma. Nach dem Betriebsübergang wollte die keine Lohnerhöhungen berücksichtigen und kündigte den Platzwart.

Seine Causa ist Teil eines Seminares von Wolfgang Mazal, Institutsvorstand für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien. Unter dem bezeichnenden Titel „Der praktische Fall“ erleben dort gerade 15 Studierende Recht in der Praxis. „Legal Clinic“ nennt Mazal das didaktische Format. Das gibt es schon länger, neu ist, dass die Fälle in einem nachgebauten Gerichtssaal durchgespielt werden. Den betreibt die Arbeiterkammer Wien (trainingsgerichtssaal@akwien.at), er befindet sich in der Technischen Gewerblichen Abendschule (TGA) des BFI im 4. Bezirk und wird etwa auch für die Laienrichterschulung eingesetzt. Seine Einrichtung ist echt: Das Arbeits- und Sozialgericht spendete sie nach seiner Übersiedlung.

Den Studierenden – im Bild Michael Krumböck, Lukas Edelmann und Maria Steiner – waren von den lebenden Fällen angetan. Edelmann, selbst Vereinssportler, ergatterte den des Platzwartes. Steiner interessierte sich für den eines Arbeitnehmers, der nach einvernehmlicher Lösung seines Dienstverhältnisses Ansprüche auf Feiertagsentgelt für den Karfreitag angemeldet hatte. Den aber bekommen nur Evangelisch-Gläubige frei. Der Fall liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof, weil auch andere Religionsgemeinschaften betroffen sind.

Krumböcks Causa ist nicht minder spannend: Eine Flugbegleitung, seit 2009 beim selben Dienstgeber, fühlt sich nun dem dritten Geschlecht zugehörig und erschien im Dienstrock. Der Arbeitgeber versetzte sie in den Innendienst und kündigte sie wenig später.

In der Vorbesprechung diese Woche, der Einweihung des Trainings-Gerichtssaals, wurden die Fälle vorgestellt, den Studierenden zugeordnet und die wesentlichen Rechtsfragen formuliert. Jetzt liest sich jeder in seine Causa ein, spielt sie vor Ort mit dem jeweiligen Rechtsreferenten durch und verfolgt die realen Prozesse. Den Seminarschein gibt es, wenn in der Abschlussarbeit alle offenen Rechtsfragen geklärt sind.

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