Über den sinnlosen Kampf gegen die Zeit.
Natürlich ist es ein lieb gewonnenes Ritual. Es hat irgendwie etwas Aufregendes, wenn wir die Zeit, mit der der Mensch allzu oft auf Kriegsfuß steht, mitten in der Nacht ändern. Plötzlich wachen wir auf und sollen einen Teil von etwas, das ohnehin begrenzt ist, gewonnen oder verloren haben. Nur: Weder stimmt es, noch bringt es etwas. Einerseits müssen wir die Stunde schneller, als uns lieb ist, zurückgeben. Andererseits bringt das Leihgeschenk nur Verwirrung.
Mediziner sprechen von einem Minijetlag, der im Vergleich zu jenem im Urlaub problematisch ist, weil er in der Nacht passiert. Selbst Landwirte haben mit bockigen Milchkühen zu kämpfen, die nicht einsehen wollen, warum sie jetzt eine Stunde später oder früher gemolken werden sollen. Sie haben genau wie der Mensch eine innere Uhr. Diese ist übrigens weder eins zu eins mit der äußeren Uhr kompatibel, noch ist sie auf Sommer- oder Normalzeit eingestellt. Dem Schlafmediziner Stefan Seidel zufolge sollen die meisten eine innere Uhr haben, die auf 25 Stunden eingestellt ist. Der Mensch ist flexibel, er kann das ausgleichen (nur bei von Geburt an Blinden kann es ein Problem werden).
Dafür, dass es ohne Zeitumstellung im Winter noch später hell, im Sommer früher dunkel wird, gäbe es eine einfache Lösung: Vielleicht sollten wir es wie die Hühner machen und mit der Sonne aufstehen. Zugegeben: Ganz ausgefeilt ist der Gedanke nicht, dann würden viele womöglich nach Vorarlberg ziehen, weil die Sonne dort um eine halbe Stunde später aufgeht als im Burgenland. Aber wir können noch so an der Uhr drehen, finster wird es sowieso irgendwann. Nur eines wäre schlimm: wenn Europa die Zeitumstellung abschafft und jedes Land seine eigene Zeit hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2018)