Italiens Regierung schlägt im Haushaltsstreit mit der EU gegen Kritiker aus. Notenbank und EZB sollen hinter den Kulissen aber bereits die Lage der Geldhäuser unter die Lupe nehmen.
Wien. Dieses Interview war Italiens Vizepremier und Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, doch zu viel: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sein Land in der Mailänder Wirtschaftszeitung „Sole 24 Ore“ am Freitag gewarnt, zu einem zweiten Griechenland zu werden. Italiens Haushaltsplan bezeichnete Kurz als „unannehmbar“. Er mahnt die Regierung aus Lega und Fünf Sternen, die Forderung der EU-Kommission nach einer Änderung zu respektieren.
Keine Angst vor dem Rating?
Di Maio reagierte am Freitag postwendend in den italienischen Medien: „Kurz soll an Österreich und nicht an das denken, was wir tun.“ Seine Regierung sei bemüht, der Kommission die Vorteile des Haushaltsplans zu erklären. Er bekräftigte, Italien hege keine Absicht, aus der EU oder dem Euro auszusteigen. Und er beschwichtigte bei einem anderen Thema, das Anleger nervös macht: Die für Freitagabend erwartete Herabstufung von Italiens Kreditwürdigkeit durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's lasse die Regierung kalt. Vergangenen Freitag hatte bereits Moody's die Bonität der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone herabgestuft. Die Märkte hatten vergleichsweise gelassen reagiert.
Die EU-Kommission hatte den Haushaltsentwurf Italiens für 2019 abgelehnt: Darin wäre ein Defizit von 2,4 statt der zugesagten 0,8 Prozent geplant. Der Streit hat an den Finanzmärkten zu einem Ausverkauf italienischer Staatsanleihen geführt. EZB-Chef Mario Draghi warnte am Donnerstag vor Belastungen für Italiens Banken durch den Wertverlust. Die Institute haben heimische Staatstitel im Wert von etwa 375 Mrd. Euro in den Bilanzen. Mit diesen Aussagen trage er zu einer weiteren Vergiftung des Klimas bei, so Di Maio.
Während die italienische Regierung vor laufender Kamera ihre Muskeln spielen lässt, sieht es hinter den Kulissen etwas anders aus. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters berieten diese Woche EU-Vertreter mit italienischen Behörden über die Lage der Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) und anderer Geldhäusern „Die EU-Kommission beobachtet die Folgen des steigenden Abstands zwischen italienischen und deutschen Anleiherenditen für die italienischen Banken sorgfältig“, heißt es aus Kommissionskreisen. Die italienische Notenbank wolle eine Einschätzung dazu veröffentlichen. Aus Rom verlautete nur: „Bei ihrem Besuch in Italien sprachen die EU-Vertreter über die Situation von MPS und anderen Banken.“ Aber auch die italienische Zeitung „La Stampa“ berichtete am Freitag ohne Nennung von Quellen Ähnliches: Die Notenbank nehme die Staatsanleihendepots der Banken verstärkt unter die Lupe. Auf Bitten der EZB hin habe sie die Geldhäuser in den vergangenen Wochen angewiesen, Einblick in ihre Bestände zu geben.
Gefahr für Frankreich
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sprach sich für einen besseren Schutz für Europas Banken aus. Vor allem die französischen Häuser seien bei einer Finanzkrise in Italien gefährdet, warnte er in einem Gastbeitrag für das Magazin „Focus“. „Dadurch wird Europa erpressbar.“ Die europäische Bankenaufsicht müsse die Geldhäuser in Europa veranlassen, ihre Kredite an italienische Schuldner und ihre Bestände an Staatsanleihen des Landes abzubauen oder mehr Eigenkapital zu beschaffen. Das Ziel müsse sein, die Folgen einer eventuellen Krise in Italien so gut wie möglich abzuschirmen.
EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hingegen versucht zu beruhigen: Bislang gebe es keine Ansteckungseffekte durch die Situation in Italien. (red./ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2018)