Stadtflucht: Einmal Hölle und zurück

Höllisch schön: Die Schwarza zwischen Kaiserbrunn und Reichenau.
Höllisch schön: Die Schwarza zwischen Kaiserbrunn und Reichenau.(c) Doris Kraus
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Von Kaiserbrunn geht es immer an der Schwarza entlang durchs malerische Höllental nach Payerbach. Die Wanderung lohnt sich auch in die Gegenrichtung und sollte dank der großartigen Pritschelplätze fix für den Sommer vorgemerkt werden.

Wenn so die Hölle aussieht, muss man sich ja keine besonderen Sorgen machen.“ Die Wandergefährtin ist beeindruckt: Die Straße windet sich durch ein selten malerisches Tal, duckt sich auf der einen Seite unter die Felsen weg, aus denen sie herausgesprengt wurde, neigt sich auf der anderen Seite in Richtung der Schwarza, die dank des besonders langen, warmen und trockenen Altweibersommers gemächlich unter uns dahinplätschert.

Wie das Höllental zwischen Rax und Schneeberg zu seinem Namen kam, ist ungeklärt. Dass es zu den beeindruckendsten Teilen Niederösterreichs zählt, ist hingegen amtlich. Immerhin wurde es bereits für den ORF-Österreich-Schönheitswettbewerb „9 Plätze – 9 Schätze“ nominiert.

Unser Ziel und gleichzeitig Ausgangspunkt der Wanderung ist Kaiserbrunn – sozusagen ein Stück Wien mitten in Niederösterreich. Denn hier sprudelt die Kaiserbrunnquelle, der historische Ursprung der Wiener Wasserversorgung, die seit 1873 durch die Wiener Hochquellenwasserleitung gewährleistet wird. Daran wird man bei jeder Weggabelung erinnert, denn man wandert hier entlang des Ersten Wiener Wasserleitungswegs. Details zu dem Thema und ein köstliches Glas Quellwasser liefert das Wasserleitungsmuseum in Kaiserbrunn – allerdings nur noch bis Anfang November, dann wieder ab 1. Mai und gegen Voranmeldung auch mit Führung.

Bis dahin kommt man auf dem gut ausgeschilderten Weg von Kaiserbrunn nach Reichenau in den Genuss einer idyllischen Herbstwanderung, die sich wohl auch wunderbar für einen Winterspaziergang eignen dürfte – vorausgesetzt, man hat rutschfestes Schuhwerk. Die Tour ist auch mit Kindern kein Problem. Hin und wieder muss man sie allerdings an die Hand nehmen.

Der Weg führt gemächlich durch den Wald, über die eine oder andere Brücke, auf gut gesicherten Steigen an Felsen entlang – und vor allem immer wieder zum Fluss, der eigentlichen Attraktion dieser Route. Selbst mitten im Oktober muss man an sich halten, um sich nicht an dem von einer Föhre baumelnden Trapez als „Höllental-Tarzan“ (oder Jane) ins Wasser zu schwingen. Alter und Temperaturen (das eine eher zu hoch, die anderen eher zu tief) sorgen dann doch dafür, dass nur die Füße ins Wasser gehalten werden. Aber für den Sommer ist diese Wanderung aufgrund der vielen herrlichen Plätze zum Pritscheln bereits fix vorgemerkt. Samt Trapez. Und wird dann wohl wesentlich länger dauern als die veranschlagten zweieinhalb Stunden.

Stärkung. Nach der Rechenbrücke, auf der man die Schwarza überquert, wartet das Walterbankerl als Rastplatz mit Aussicht, danach sieht man den „Rechen“, der die Bäume auffing, die seit den 1780er-Jahren im Höllental gefällt und die Schwarza flussab mit Bestimmung Wien geschickt wurden. Beim Kraftwerk geht es über die Brücke und auf die Straße nach Reichenau.

Ab da wird einem allerdings klar: Auch der schönste Weg könnte vielleicht noch besser sein, ginge man ihn in die andere Richtung. Denn das letzte Drittel der Wanderung ist zwar noch immer nett, im Vergleich zu der grandiosen Wald-Flusslandschaft aber eine Antiklimax. Beim Kraftwerk geht es wieder über eine Brücke und dann kurz entlang der Straße, ehe man an einer industriellen Anlage mit Retro-Charme vorbei auf der Trasse der Wasserleitung nach Reichenau wandert.

Dort wird man allerdings entschädigt – mit dem nostalgischen Charme des Kurparks und auch kulinarisch. Zuerst lohnt sich eine Einkehr in die „Schloss-Stuben“ mit ihrem schönen Gastgarten, gefolgt von der Konditorei Nöbauer mit ihren noch schöneren Torten. Wer Platz im Rucksack hat, kann Brot für daheim mitnehmen.

Die letzte Etappe in Richtung Bahnhof Payerbach fällt dann eher unter Füße vertreten als unter wandern, was nach üppiger Einkehr ohnedies die kreislaufschonendere Variante ist. Wer fit und fröhlich ist, geht gar nicht so weit, sondern dreht nach der Stärkung in Reichenau um und genießt auf dem Rückweg noch einmal den höllisch schönen Blick auf die Schwarza. Da jeder Blickwinkel etwas anderes zeigt, wer weiß, welche visuellen Gustostückerl das Tal mit dem trügerischen Namen für fleißige Wanderer noch bereithält.

Kaiserbrunn und Payerbach sind mit dem Auto oder öffentlich erreichbar. Wer nur in eine Richtung wandert, nimmt zurück den Bus (www.retter-linien.at). Die einfache Wegzeit ist 2,5 Stunden. In der touristischen Hauptsaison kann man außerdem auf der Schwarza Kajakfahren oder mit der schmalspurigen Höllentalbahn (www.lokalbahnen.at/hoellentalbahn).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2018)

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