Lokale auf Instagram: Auf Klicks gesetzt

Rosa. Vielleicht das Lokal, über das am meisten geschrieben ­wurde: Gallery at Sketch, London.
Rosa. Vielleicht das Lokal, über das am meisten geschrieben ­wurde: Gallery at Sketch, London.(c) Ed Reeve
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Handyobjektive zum Ausborgen, verbessertes Licht, Schriftzüge an den Wänden: Wie sich Lokale in Instagram-Zeiten umrüsten.

Drohender Erstickungstod, auffällig illustriert: Sogar die gesetzlich verordnete Anleitung zum lebensrettenden Heimlich-Manöver nützen Gastronomen für individuelle Eyecatcher. Als fototaugliches Interieurdetail, mit dem man auf der Plattform Instagram punkten kann.

Die Erste-Hilfe-Anleitungen werden mitunter von denselben Grafikern oder Illustratoren gestaltet, die auch für den sonstigen Auftritt eines Lokals mitverantwortlich sind – in den USA, wohlgemerkt. In aller Welt denke man beim Gestalten eines Lokals längst an Instagram und nütze die Follower ihrer Gäste, um kostenlos zu werben, sagt Nina Mohimi, die gemeinsam mit Dani Terbu Unternehmensberaterin im Bereich „Business of Food" ist, wie die beiden es nennen. „Dass es dieses Bewusstsein für Instagram international schon länger gibt, würde man ja nicht glauben, wenn man sich in Österreichs Lokalen so umsieht . . ."

Foto! Eine Scheibe des Grand Ferdinand in Wien ziert ein höchst Instagram-tauglicher Schriftzug.
Foto! Eine Scheibe des Grand Ferdinand in Wien ziert ein höchst Instagram-tauglicher Schriftzug.(c) Michael Koenigshofer

Geändertes Licht. Ein wichtiger Punkt: das Licht. Das allein habe sich seit Instagram in den Vorreiterländern schon geändert, meint Mohimi. „Es gibt mehr Spotbeleuchtung von oben", sodass die Tischflächen gut ausgeleuchtet sind. In Österreich allerdings oft: Licht, das auf den Fotos Streifen ergibt, was die Fotos gleich einmal untauglich für die Instagram-Verbreitung mache. In London indes haben die beiden sogar Lokale gefunden, die den Gästen Instagram-Sets mit Weitwinkelobjektiv für das Handy und Kameralicht zur Verfügung stellen.

Nina Mohimi und Dani Terbu sind erst kürzlich von einer Reise nach New York zurückgekommen, wo sie für einen Kunden unter anderem zu Verpackungsdesign recherchiert haben – und sich angesehen haben, welches Produkt wann-wie-warum fotografiert und auf Social Media geteilt wird. „Der große Unterschied zu den USA ist, dass das Thema Sales dort schon ewig positiv besetzt ist und bei uns nicht", so Nina Mohimi. „Dort wird alles verkauft." In den USA gebe es witzig gestaltete Aufsteller vor den Lokalen, Auslagen oder Scheiben werden als potenzielle Klickbringer gesehen, Renovierungsarbeiten für Schriftzüge genützt. „Und jedes zweite Lokal hat Merchandising-Produkte. T-Shirts, Tote-Bags, Kappen, Buttons." In Österreich hingegen werde man eher schief beäugt, wenn man darüber redet, was man hat. Oder gar offen darum bittet, fotografiert zu werden, wie dies das Hotel Grand Ferdinand am Schubertring vormacht: Auf den dortigen Scheiben thront nicht nur der riesige Schriftzug „Schnitzel Love", an dem wohl kaum ein Touristenhandy ohne Kameraeinsatz vorbeigetragen wird; hier klebt an der Scheibe auch ganz explizit die Aufforderung: „Hey you! Post us on Insta­gram". Und auch der Hashtag wird gleich mitgeliefert.

Motiv. In den USA ist es völlig normal, dass Lokale Instagram beim Gestalten berücksichtigen.
Motiv. In den USA ist es völlig normal, dass Lokale Instagram beim Gestalten berücksichtigen. (c) The Coolinary Society

Komplett in Pink. Es gebe, haben Dani Terbu und Nina Mohimi beobachtet, zwei Arten, wie Restaurants und Cafés versuchen, auf Instagram verbreitet zu werden: „die Interieur-Schiene und über die Food-Schiene. Und das sind gravierende Unterschiede." Die Heimat des via Instagram zu einiger Berühmtheit gelangten Rainbow Bagels etwa hat sich als völlig unscheinbarer „Grindbagelstore" herausgestellt. Hier wird also genau ein Motiv fotografiert und gepostet: das knallbunte Gebäck selbst. Gegenbeispiel sind zahlreiche Lokale, die aufgrund ihrer poppigen oder sonstwie auffälligen Einrichtung dauergepostet werden, deren Essen aber „von schwerst fragwürdiger Qualität" ist. Eine Frage der Zielgruppe.

Und wohl auch ein bisschen der ethischen Einstellung: Nicht wenige Gastronomen entscheiden sich offenbar für viel Umsatz mit schlechter Küchenleistung (oder nehmen diese in Kauf). Das höchst erfolgreiche, komplett in Rosa gehaltene Pietro Nolita in Soho etwa, auf dessen Servietten „Pink as Fuck" gedruckt ist: „Das wird irrsinnig oft fotografiert und gepostet, das Essen ist aber eine Katastrophe", meint Terbu. Der Komplettlook in Pink gilt offenbar als ausnehmend spektakulär: Auch das womöglich meistfotografierte Lokal der Welt, „oder zumindest das, worüber die meisten Artikel erschienen sind" (Mohimi), ist durch sein Rosa zum Motiv geworden: das Gallery at Sketch in London, gestaltet von der derzeit sehr gefragten India Mahdavi.

Team. Nina ­Mohimi und Dani Terbu beraten im Bereich „Business of Food“.
Team. Nina ­Mohimi und Dani Terbu beraten im Bereich „Business of Food“. (c) Florence Stoiber

Worauf nun sollten, wenn es nach den Unternehmensberaterinnen geht, Lokale im Instagram-Zeitalter bei der Gestaltung achten – wenn sie denn auf diese Social-Media-affine Zielgruppe setzen? „Tischoberflächen, Wände, Boden." Die Tische dürfen nicht spiegeln, das Geschirr müsse dazupassen, sich aber gleichzeitig davon abheben. Gemusterte Fliesen machen sich gut, ein Eyecatcher an der Wand sei sinnvoll. Generell: „Elemente, die anderen sofort signalisieren, wo man sich befindet, auch wenn man nur einen Teil davon sieht."

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