Die letzte Bastion gegen den Totalitarismus

Die Überhöhung der Kultur hat im Osten der EU historische Gründe.

Sind die Ergebnisse der Wertestudie von Pew Research ein Beweis für die mangelnde Reife der Mittel- und Osteuropäer? Wer diesen Schluss zieht, macht es sich viel zu leicht. Außenstehenden mag es zwar absurd erscheinen, dass Bulgaren, Polen oder Tschechen ihre (zweifellos facettenreiche) Kultur für überlegen halten, während sich Spanier und Franzosen in nobler Zurückhaltung üben. Dieser Befund der Meinungsforscher wird allerdings verständlicher, wenn man die europäische Geschichte mitberücksichtigt.

Im vergangenen Jahrhundert war weder Spanien noch Frankreich in seiner Existenz derart bedroht wie jene Länder, in denen zunächst die Nazis wüteten und die anschließend der Sowjetunion als Belohnung für den Sieg über das Dritte Reich überlassen wurden. Hinter dem Eisernen Vorhang war die nationale Kultur die letzte Bastion gegen den Totalitarismus. Diese Erfahrung wirkt nach.

Mit ihrer Politik der einvernehmlichen Integration verfolgt die EU einen therapeutischen Ansatz, der bei Deutschland und Frankreich ein Erfolg war. Die Frage ist nur, ob sich die illiberalen Demokraten im Osten der Union auf eine Therapie einlassen wollen – oder ob sie Getriebene ihrer Traumata bleiben.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2018)

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