Eine Hilfsköchin, der 12-Stunden-Tag und die Lohnverhandlungen

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Symbolbild(c) Reuters (Philippe Wojazer)
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Eine 56-Jährige wirft einer Wiener Restaurantkette vor, sie gekündigt zu haben, weil sie nicht 12 Stunden pro Tag arbeiten wollte. Die AK kritisiert: "Seit Inkrafttreten des Gesetzes machen die Arbeitgeber Druck."

"12 Stunden täglich gearbeitet, 7 Tage die Woche gearbeitet", "Im Krankenstand entlassen", "Arbeiter riskierte sein Leben – und wurde trotzdem entlassen". Eines ist klar: Die Beratungserfolge, die die Arbeiterkammer Wien auf ihrer Internet-Seite auflistet, sind kein Ruhmesblatt für die österreichischen Arbeitgeber.

Nun - mitten in der heißen Phase der Kollektivvertragsverhandlungen in mehreren Branchen - nimmt die Arbeiterkammer Wien einen aktuellen arbeitsrechtlichen Fall aus der Gastronomie zum Anlass, um gegen den 12-Stunden-Tag mobil zu machen. Es geht um Fatma B., fast 20 Jahre lang als Hilfsköchin bei einer Wiener Restaurantkette beschäftigt. Ihr Chef habe gefordert, dass sie ab 1. September täglich 12 Stunden arbeitet – ansonsten müsse er sie kündigen, erzählte sie der AK Wien.

Die 56-Jährige arbeitete laut AK-Angaben seit 1999 als Hilfsköchin, sie hatte einen Teilzeitvertrag. In der Aussendung heißt es: "Der Chef stellte ihr das 12-Stunden-Tages-Ultimatum, setzte sie unter Druck. Sie suchte den Kompromiss, bot an 40 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber 12 Stunden täglich – das schaffe sie gesundheitlich nicht." Das habe der Arbeitgeber nicht akzeptieren wollen und legte ihr stattdessen ein Schreiben vor, das das Arbeitsverhältnis als "einvernehmlich" beendet erklärte. Er soll sie massiv unter Druck gesetzt haben, bis sie unterschrieb.

Anfechten wollte die Arbeitgeberin die Vereinbarung nicht mehr. Stattdessen fordert die Arbeiterkammer nun eine Abfertigung von sechs Monatsgehältern.

"Von Freiwilligkeit kann keine Rede sein"

AK-Präsidentin Renate Anderl kommentiert: "Das ist genau, was wir befürchtet haben: Seit Inkrafttreten des 12-Stunden-Tag-Gesetzes machen die Arbeitgeber Druck. Im konkreten Fall benutzte ein Arbeitgeber offenbar das 12-Stunden-Tag-Gesetz, um eine ältere Arbeitnehmerin los zu werden." Und weiter: "Dieser Raubbau an der Gesundheit durch den 12-Stunden-Tag wird sich für die Betroffenen und die ganze Gesellschaft noch Monate und Jahre später auswirken."

Roman Hebenstreit von der Gewerkschaft vida fügt hinzu: "Wir wissen, dass Fatma B. nicht die einzige Betroffene in ihrem Betrieb ist." Andere hätten sich nicht getraut, sich Beistand zu holen. Von Freiwilligkeit könne "bei diesem Husch-Pfusch-Gesetz keine Rede sein".

12-Stunden-Tag

Anfang September wurde in Österreich die gesetzliche Maximalarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden pro Tag angehoben, für eine Woche gelten 60 Stunden. Im Gesetz steht, dass Arbeitnehmer Überstunden über die zehnte Stunde hinaus „ohne Angabe von Gründen ablehnen können“, gleiches gilt für eine Wochenarbeitszeit von mehr als 50 Stunden. In einem Zeitraum von 17 Wochen darf außerdem die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Wochenstunden nicht überschrittten werden.

Die Regierung betonte stets die Freiwilligkeit. Kritiker sagen, diese sei ein leeres Versprechen. Denn in Österreich gilt kein genereller Kündigungsschutz, weshalb ein Mitarbeiter auch ohne Angaben von Gründen gekündigt werden kann, wenn er nicht auf die Wünsche des Arbeitgebers eingeht.

Der Name des Lokals im zweiten Wiener Gemeindebezirk ist der "Presse" nicht bekannt. Auch die Wirtschaftskammer Wien erfuhr nur aus den Medien vom konkreten Fall und will daher dazu keine Stellung nehmen. Allgemein beurteilt man die Lage freilich etwas anders: Erwin Scheiflinger vom Bastei Beisl, stellvertretender Obmann der Gastronomie-Sparte, geht davon aus, dass sich der Großteil der Lokalbetreiber an die Gesetze hält.

Natürlich gebe es Schwarze Schafe, die habe es aber auch immer gegeben. Und oft liege die Wahrheit in einem arbeitsrechtlichen Streit "irgendwo dazwischen". Außerdem ist Schleifinger überzeugt davon, dass nicht nur die Unternehmen, sondern auch zahlreiche Mitarbeiter die Ausweitung der Maximalarbeitszeit auf 12 Stunden begrüßen. Viele Gastronomie-Mitarbeiter aus Osteuropa würden etwa längere Arbeitstage gerne in Kauf nehmen, wenn sie dafür ein verlängertes Wochenende in der Heimat haben. Und für die Lokalbetreiber gebe es durch das neue Arbeitszeitgesetz eine Möglichkeit, das auch legal zu ermöglichen. Hinzu komme, dass es bei Events wie Hochzeiten aus organisatorischen Gründen ohnehin praktisch ein Ding der Unmöglichkeit sei, sich an eine Maximalarbeitszeit von zehn Stunden zu halten.

Zum Zeitpunkt der Aussendung von Gewerkschaft und Arbeiterkammer hat Schleifinger nur soviel zu sagen: "Es gibt Lohnverhandlungen."

Strache kündigt Sanktionen an

Vizekanzler Heinz-Christian Strache bemüht sich unterdessen schon in Schadensbegrenzung und droht Unternehmern, die sich bei der Anwendung des 12-Stunden-Tags nicht an das Recht auf Freiwilligkeit halten. Im Fall der Hilfsköchin sprach Strache von einem "Missbrauchsfall", der zu ahnden sein wird. Die Dame habe Rechtsanspruch darauf, dass die Kündigung nicht rechtskräftig wird. Wenn dies nicht geschieht, werde sich die Regierung überlegen müssen, welche Sanktionen es in solchen Fällen geben soll, sagte Strache.

Dafür musste der Vizekanzler prompt Kritik der AK einstecken. "Hätte die Bundesregierung beim neuen Arbeitszeitgesetz gleich auf die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften gehört, dann müsste Vizekanzler Heinz-Christian Strache jetzt den Unternehmen keine Sanktionen androhen", wird AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung zitiert.

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