Der Völkerrechtsexperte Manfred Nowak empört sich über den Rückzug aus dem UN-Migrationspakt. Er spricht von einem "fatalen Signal". Einem zentralen Argument der Regierung widerspricht er besonders energisch.
Der Völkerrechtler Manfred Nowak hat den Ausstieg Wiens aus dem UNO-Migrationspakt als "fatales Signal" verurteilt. "Wir schneiden uns hier ins eigene Fleisch", sagte Nowak am Mittwoch. "Trump und Orban, ist das die Gesellschaft, in der wir sein wollen?" Energisch bestritt er, dass der Pakt ein Recht auf Migration schaffen werde.
Rechtlich gesehen habe der Ausstieg "nicht viele Konsequenzen, weil er (der Pakt) rechtlich nicht verbindlich ist", sagte der Wiener Universitätsprofessor. "Politisch ist es natürlich ein fatales Signal", sagte er mit Blick auf das bisher "sehr positive Image" Österreichs in den Vereinten Nationen. Die ÖVP-FPÖ-Regierung spekuliere offenbar darauf, dass ihr Schritt "negative Vorbildwirkung" hat und weitere Staaten folgen könnten, sagte Nowak unter Verweis auf Polen oder Tschechien.
Zu den von der türkis-blauen Bundesregierung monierten Punkten meinte er, dass Österreich in vielen Fällen schon durch andere internationale Verträge gebunden sei. Das Verbot von Sammelabschiebungen etwa sei in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten, soziale Rechte ergäben sich aus der Europäischen Sozialcharta und dem UNO-Pakt über soziale Rechte.
"Das Argument ist vorgeschoben"
"Keine Rede" könne auch davon sein, dass der UNO-Pakt ein Recht auf Migration entstehen lassen könnte, betonte der Völkerrechtler. "Aufgrund des Migrationspakts wird sich nicht, auch nicht in 20 Jahren, ein Recht auf Migration ergeben. Das ist ein Argument, das vorgeschoben ist", sagte er in Richtung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ).
Völkergewohnheitsrecht könne nämlich nur dann entstehen, wenn nicht nur Rechtstexte, sondern auch die konkrete politische Praxis der Staaten entsprechend aussehe, argumentierte Nowak. Diesbezüglich gehe es aber im Bereich der Migration derzeit genau in die andere Richtung, verwies er auf die restriktiver werdende Einwanderungs-und Flüchtlingspolitik vieler Staaten. Selbst innerhalb der EU, in der Personenfreizügigkeit gelten sollte, seien wieder Grenzkontrollen eingeführt worden.
Während man bei US-Präsident Donald Trump und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wisse, dass sie sich außerhalb internationaler Regeln stellen, werde der nunmehrige österreichische Schritt "in vielen Staaten mit Kopfschütteln aufgenommen", sagte der frühere UNO-Sonderbeauftragte. Österreich sei bisher nämlich "als sehr positiver Mitgliedsstaat" der Vereinten Nationen gesehen worden. "Man schadet damit der UNO und auch sich selbst", kritisierte Nowak die "aus innenpolitischen Gründen" getroffene Entscheidung. Mit Blick auf entsprechende Gespräche mit Diplomaten fügte der Rechtsprofessor hinzu, er hätte sich eigentlich gedacht, "dass die ÖVP standfest genug bleiben und nicht dem Druck der FPÖ nachgeben wird".
"Extrem negative Auswirkungen"
Der Schritt sei zwar eine Zäsur in den Beziehungen zwischen Österreich und der UNO, werde aber wohl keine "extrem negativen Auswirkungen" haben, so Nowak. "Dafür ist diese Frage nicht wichtig genug." Außerdem habe Österreich vor fünf Jahren mit dem Rückzug seiner Blauhelme vom Golan schon einmal einen Schritt gesetzt, der von den Vereinten Nationen "auch nicht gerade überschwänglich angenommen" worden sei. Dennoch sei es kürzlich mit großer Mehrheit in den UNO-Menschenrechtsrat gewählt worden. Grundsätzlich müsse sich Österreich aber fragen, ob es sinnvoll sei, "in Zeiten, wo die UNO ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, ihr einen weiteren Schlag zu versetzen".
UNO-Generalsekretär António Guterres bedauert den Rückzug Österreichs aus dem Pakt. Guterres fügte jedoch nach Angaben seines Sprechers hinzu, dass ein großer Teil der Zivilgesellschaft sowie die überwältigende Mehrheit der UNO-Mitgliedstaaten den im Laufe der letzten 18 Monate zustande gekommenen Pakt unterstütze. Auch der Liberalen-Chef in EU-Parlament, Guy Verhofstadt, hat Kritik geübt. Es würde damit "unsere gemeinsame Arbeit an einer Lösung für das Problem der illegalen Migration" untergraben, schrieb Verhofstadt auf Facebook. Statt der Zusammenarbeit bei EU-Schlüsselthemen setze Österreich auf Trennlinien.
(APA)