Wie das Nein zum Migrationspakt zustande kam

Der Vizekanzler und der Bundeskanzler agierten, ohne die Experten des Außenministeriums einzubinden.
Der Vizekanzler und der Bundeskanzler agierten, ohne die Experten des Außenministeriums einzubinden.APA/ROBERT JAEGER
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Straches Büro lieferte Textbausteine für den Ministerrat. Experten des Außenministeriums wurden gar nicht zu Rate gezogen. Und auch die Außenministerin konnte sich nicht durchsetzen.

Wien. Es ist nur ein kleines Wörtchen, doch es verrät einiges: Im Ministerratsvortrag am Mittwoch war vom „Globalen Pakt für sichere, geregelte und planmäßige Migration“ die Rede, den Österreichs Bundesregierung nicht annehme. Der Begriff „planmäßig“ fand sich bisher nur in einschlägigen rechten Foren. In der offiziellen deutschen Übersetzung heißt das UN-Dokument „Globaler Pakt für sichere, geregelte und reguläre Migration“.

Nach Informationen der „Presse“ ließ das Vizekanzleramt von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache dem Kabinett von Außenministerin Karin Kneissl Textbausteine für den Ministerratsvortrag zukommen. Das erklärt auch, warum darin fälschlicherweise insinuiert wird, dass im UN-Migrationspakt ein „Menschenrecht auf Migration“ postuliert werde. Strache behauptet dies schon länger. Auch das Kanzleramt war eingebunden, führende Experten des Außenamts blieben jedoch wohlweislich ausgeklammert.

Kneissl selbst soll lang versucht haben, der FPÖ-Führung zu erklären, dass der UN-Migrationspakt rechtlich unverbindlich sei und deshalb nicht in Bausch und Bogen abgelehnt werden müsse. Vergeblich. Sie wollte auch einen Vertreter zur Migrationskonferenz nach Marrakesch schicken. Erfolglos. Wenigstens wird sich Österreich bei der Abstimmung über den Migrationspakt in der Vollversammlung enthalten und nicht dagegen votieren. Darauf hatte Kanzler Kurz gepocht.

Rüge von Van der Bellen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen verteidigte am Freitag den Migrationspakt. Zu spät. Er hoffe, dass die Regierung alles daran setze, den drohenden Ansehensverlust Österreichs abzuwenden, schrieb das Staatsoberhaupt.

Daniel Cohn-Bendit, früherer deutsch-französischer Europaabgeordneter der Grünen, findet es "unerträglich, dass Österreich jetzt aus dem UNO-Pakt zur Migration und Flüchtlinge ausschert". Die Entscheidung sei "dümmlich, (...) falsch, und das ist für Österreich gefährlich", sagte Cohn-Bendit in einem Interview mit dem "Standard" (Samstagsausgabe).

Auch unter den Bürgern regt sich Protest. Eine Kampagne gegen den Ausstieg der Regierung aus dem UNO-Migrationspakt läuft im Internet. Auf der Plattform www.aufstehn.at erklärten über 109.000 Menschen ihre Unterstützung für die 23 Ziele des "Glocal Compact for Safe, Orderly and Regular Migration".

Der Verein #aufstehn versteht sich als zivilgesellschaftlicher Akteur, der "Zugangsbarrieren zu politischen Prozessen abbauen und Mitbestimmung ermöglichen" will. Konkrete politische Konsequenzen sind aber nicht wahrscheinlich.

(cu, "Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

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