Doch keine wundersame Orang-Utan-Vermehrung

Sie hat Indonesien nie gesehen: Nonja lebte von 1976 bis 2018 in Schönbrunn in Sicherheit.
Sie hat Indonesien nie gesehen: Nonja lebte von 1976 bis 2018 in Schönbrunn in Sicherheit.(c) APA/PAUL BERGER
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Entgegen Behauptungen der indonesischen Regierung nimmt die Population doch nicht zu.

Es klang zu schön, um wahr zu sein: Ein Bericht des indonesischen Ministeriums für Umwelt und Forstwirtschaft verkündete im Juli dieses Jahres, dass die Bestände von 19 bedrohten Tierarten, darunter auch der Orang-Utan, um mehr als zehn Prozent gewachsen seien – und das in nur drei Jahren, von 2015 bis 2017. Damit überträfen die Behörden ihre selbst gesteckten Ziele eines zweiprozentigen Wachstums um ein Vielfaches, die in dem Bericht bunt illustrierten Schutzmaßnahmen seien überaus wirksam.

Doch selbst wenn die bekannten Bilder endloser Ölpalmenplantagen, dafür trockengelegter Regenwälder, die wie Zunder niederbrennen, oder kulleräugiger verwaister Orang-Utan-Jungen täuschten, wäre ein derart rasanter Zuwachs der bedrohten Fauna Indonesiens ein veritables Wunder, wie Wissenschaftler um Erik Meijaard in einem Brief an die Fachzeitschrift Current Biology (28, R1-R2) darlegen. In manchen Nationalparks zählte man 2015 noch 1153 Orang-Utans, 2016 waren es bereits 2451 – eine solche Verdopplung innerhalb nur eines Jahres sei „biologisch unmöglich“, stellt Meijaard fest.

Zählung nur in geschützten Arealen

Der niederländische Biologe macht die Vorgehensweise der indonesischen Behörden für die schönen Zahlen verantwortlich: Einige Zählungen fanden an Orten statt, an die Tiere aus anderen Regionen umgesiedelt wurden. Die insgesamt neun Beobachtungsposten für die Bestandsaufnahme decken nur etwa fünf Prozent der Verbreitungsgebiete zweier Orang-Utan-Spezies (Borneo- und Sumatra-Orang-Utan) ab, die dritte (Tapanuli-Orang-Utan) ist dort gar nicht vertreten. Zudem wurde ausschließlich in geschützten Arealen gezählt, während die Mehrheit der Tiere in ungeschützten Bereichen des Landes lebt.

Wissenschaftlich fundierte Studien zeichnen daher auch ein gänzlich anderes Bild: Innerhalb von 16 Jahren sind über 100.000 Borneo-Orang-Utans verendet, allein für das vergangene Jahrzehnt ergibt das einen Rückgang um 25 Prozent (Curr. Biol. 28, 761-769, Sci. Rep. 7, 4839). Auch um die beiden anderen Spezies scheint es ähnlich schlecht bestellt, mehr als die Hälfte des Lebensraums der Sumatra- und Tapanuli-Art waren 2007 bereits vernichtet, auch hier könnte sich die Populationen bis Ende des Jahrzehnts um ein Viertel reduziert haben. Schuld ist die Abholzung der Regenwälder für die Zellstoffgewinnung und Palmölproduktion – Indonesien ist mit großem Abstand Weltmarktführer in der Herstellung des begehrten Rohstoffs.

Zwar begrüßt Meijaard die Bemühungen der indonesischen Regierung, den Artenschutz zu fördern und den Bestand bedrohter Tiere zu erfassen. Eine falsch-positive Bilanz dieser Bemühungen zu ziehen sei jedoch kontraproduktiv und führe zu falschen Maßnahmen. „Es ist wichtig, dass die Regierung versteht, dass der Bestand noch immer zurückgeht“, so der Biologe. Er fordert eine enge Zusammenarbeit von Regierung, NGO's, Wissenschaftlern, Bevölkerung und Wirtschaft, um den Orang-Utan zu retten. Ob dies angesichts der riesigen Nachfrage nach Palmöl gelingen wird, bleibt abzuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2018)

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