Notfall vor Spital: Wer hilft da (nicht)?

Eine Passantin will im Krankenhaus Göttlicher Heiland Hilfe für einen bewusstlosen Mann holen – und wird im ersten Moment abgewiesen.
Eine Passantin will im Krankenhaus Göttlicher Heiland Hilfe für einen bewusstlosen Mann holen – und wird im ersten Moment abgewiesen.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Ein Mann bricht vor einem Spital zusammen, trotzdem wird ihm nicht gleich geholfen. Das Krankenhaus räumt Fehler ein. Gesundheitsstadtrat Hacker lässt den Fall nun prüfen.

Wien. Ein Mann wird vergangenen Freitagabend gegenüber von einem Wiener Spital, dem Göttlichen Heiland, leblos in seinem Auto gefunden. Eine Passantin will im Spital Hilfe holen – und wird vom Portier aufgefordert, die Rettung anzurufen, da die Ärzte das Spital nicht verlassen dürfen. Der Portier ruft dann doch Ärzte zu Hilfe, die den Mann reanimieren. Versorgt wird er aber nicht im Göttlichen Heiland – die Rettung bringt ihn in ein anderes Spital, in dem er verstirbt. Der Fall hat Unmut ausgelöst und viele Fragen aufgeworfen:

1 Dürfen Ärzte im Dienst das Spital wirklich nicht verlassen?

In einer ersten Reaktion verwies das Spital auf Bestimmungen im Wiener Krankenanstaltengesetz, nach denen diensthabende Ärzte das Krankenhaus nicht verlassen dürfen, um Patienten nicht zu gefährden. Die ärztliche Direktorin des Göttlichen Heiland, Jelena Quint, betonte gegenüber der „ZiB 2“, dass „alle Beteiligten“ richtig gehandelt hätten. Es sei „eine schwere Entscheidung“: 120 Patienten zurückzulassen oder „zu versuchen, ein Leben zu retten“.

Anders sieht man das im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) auf Anfrage der „Presse“: „Es gibt aus unserer Sicht keine Regelung im Wiener Krankenanstaltengesetz, die es verbietet, dass ein Arzt das Krankenhaus für einen Notfall verlässt, auch wenn ein Arzt in einem Spital in erster Linie für seine Patienten verantwortlich ist.“ Auch ein Sprecher des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV), zu dem elf Wiener Spitäler gehören, sagt: „Bei uns gibt es keine Regelung, die so etwas besagen würde. Wenn es um das KAV-Areal geht, dann ist das Spitalspersonal zuständig.“

Im Göttlichen Heiland bemühte man sich am Dienstag um Schadensbegrenzung: Bei einem Notfall „können und müssen“ Vorschriften außer Kraft gesetzt werden.

2 Wer entscheidet im Ernstfall, ob ein Arzt das Spital verlässt?

Ob ein Arzt zu einem Notfall außerhalb des Spitals eilt, müsse der Arzt selbst entscheiden, sagt eine Sprecherin der Vinzenz-Gruppe, zu der das KH Göttlicher Heiland gehört. „An erster Stelle steht immer die Rettung von Menschenleben.“ Im aktuellen Fall habe sich der diensthabende Oberarzt, nachdem er vom Portier angerufen worden war, „kurz abgesichert, dass seine Patienten versorgt sind, und ist dann sofort hinausgelaufen, um zu helfen“. Auch beim KAV heißt es, ein Arzt müsse selbst entscheiden, ob er die Station verlassen könne. „Der Arzt darf seine Patienten nicht vernachlässigen.“ Dass das ein Problem sein kann, schildert ein Rettungsfahrer der „Presse“. Der musste vor etlichen Jahren in der Nacht auf einer Spitalsrampe das Baby einer Passantin entbinden. Die Ärzte, die allein auf ihren Stationen waren, wollten diese nicht verlassen.

3 Warum wurde der Mann dann nicht im Göttlichen Heiland versorgt?

Da der Göttliche Heiland nicht über eine Notaufnahme verfügt, wurde der Patient mit der Rettung in das nächste Spital mit Notambulanz – das zwei Kilometer entfernte Wilhelminenspital – gebracht, wo er verstarb. Patienten mit akutem Herzinfarkt können im Göttlichen Heiland mangels Geräten derzeit nicht versorgt werden – erst 2019 wird dies möglich sein. Tatsächlich haben nicht alle Wiener Spitäler eine Notaufnahme, von den zehn KAV-Spitälern sind es sieben.

4 Wie wird festgelegt, in welche Spitäler Patienten gebracht werden?

Das entscheidet die Rettungsleitstelle für Wien, die von der Wiener Berufsrettung (MA70) betrieben wird, und die die täglichen 700 bis 800 Rettungseinsätze koordiniert. Sie teilt die Notfälle entsprechend den vorhandenen Spitalsabteilungen, dem Personal und den Kapazitäten zu. „Grundsätzlich ist es das Ziel, das nächstgelegene Spital anzufahren, aber eben nur dorthin, wo jemand passend versorgt werden kann“, so ein Sprecher. Wenn jemand einen Unfall habe, dann helfe ihm kein Krankenhaus, in dem die Geräte fehlen und man bei Untersuchungen dauernd Stockwerke überwinden müsse.

5 Welche Konsequenzen werden aus dem aktuellen Fall gezogen?

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker hat, wie ein Sprecher zur „Presse“ sagt, die MA40 (Sozial- und Gesundheitsrecht) mit der Prüfung des Falles beauftragt: Geprüft werden soll, ob das Vorgehen im Spital korrekt gewesen ist. Im Göttlichen Heiland selbst sollen die Mitarbeiter nun „intensiver geschult“ werden, wie man sich in Notfällen verhält – und auch mit spitalsfremden Menschen kommuniziert.

Insgesamt war die Kommunikation des Krankenhauses, vorsichtig formuliert, unglücklich: Direktorin Quint sprach in einer angesichts des verstorbenen Mannes erstaunlich kühlen Stellungnahme in der „ZiB 2“ zunächst davon, dass es „keine Fehler“ gegeben habe. Erst später räumte eine Sprecherin gegenüber der „Presse“ ein, dass der Portier „in einer ersten Reaktion sicher falsch reagiert“ habe. Er habe dann aber umgehend einen Arzt kontaktiert, die Rettungskette habe sofort funktioniert. Direktorin Quint stand am Dienstag für ein Gespräch mit der „Presse“ allerdings nicht zur Verfügung – ebenso wenig wie die Geschäftsführung der Vinzenz-Gruppe. Im Göttlichen Heiland betonte man, „als christlich geprägtes Krankenhaus“ von den Ereignissen besonders betroffen zu sein. Man habe mit der Passantin das Gespräch gesucht, ebenso mit den Angehörigen des verstorbenen Mannes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2018)

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