Arbeitszeit: Regierung bleibt hart

Unter bestimmten Auflagen dürfen Arbeitnehmer seit September zwölf Stunden am Tag arbeiten. Das Gesetz ist umstritten.
Unter bestimmten Auflagen dürfen Arbeitnehmer seit September zwölf Stunden am Tag arbeiten. Das Gesetz ist umstritten.(c) REUTERS (Alessandro Bianchi)
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Obwohl sich einige Firmen nicht an die im Arbeitszeitgesetz verankerte Freiwilligkeit halten, schließen ÖVP und FPÖ eine Verschärfung aus.

Wien. Beim Zwölf-Stunden-Tag wurde am Mittwoch ein neuer Fall bekannt, bei dem sich eine Firma nicht an das im Gesetz verankerte Prinzip der Freiwilligkeit hält. Diesmal ging es um einen Betrieb im Bezirk Spittal an der Drau (Kärnten). Dort hat eine Arbeitnehmerin nach der Probezeit in der Gastronomie einen Vertrag vorgelegt bekommen. Darin heißt es: „Der Arbeitnehmer erklärt seine ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft, bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs im Sinne des § 7 Abs. 1 AZG (idF ab 1. 9. 2018) eine Tagesarbeitszeit von bis zu 12 Stunden sowie eine Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden leisten zu wollen.“

Mittlerweile üben nicht nur Arbeitnehmer Kritik. Die österreichischen Hoteliers verlangten am Mittwoch eine präzisere Definition, was genau mit Freiwilligkeit beim Zwölf-Stunden-Tag gemeint sei. „Ist es auch noch freiwillig, wenn man es sich freiwillig ausgemacht hat, dass es im Dienstplan drinnen steht? Weil es in der Sekunde, in der es im Dienstplan steht, ja eigentlich nicht mehr freiwillig ist“, sagte Michaela Reitterer, Präsidentin der Hoteliervereinigung, im ORF-Radio. Reitterers Kollege, der Generalsekretär der Hoteliervereinigung, Markus Gratzer, sagte auf Nachfrage der „Presse“: „Wir hinterfragen nicht das ganze Werk. Es geht um Detailfragen.“ Die Hoteliervertretung fordere keine Änderung im neuen Arbeitszeitgesetz selbst. „Man sollte mit einem Erlass Klarheit schaffen, da jetzt viele Fragen offen bleiben.“

SPÖ: „Spitze des Eisbergs“

Der SPÖ ist aber ein Erlass zu wenig. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner kündigte am Mittwoch an, eine Sondersitzung des Nationalrats zum Arbeitszeitgesetz einberufen zu wollen. Denn die bekannt gewordenen Fälle seien die „Spitze des Eisbergs“, sagte die SPÖ-Chefin. „Die Dunkelziffer ist wesentlich höher.“ Die Freiwilligkeit sei eine Farce. Unterstützt wird Rendi-Wagner von SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch. Dieser erklärte, dass die SPÖ jeden arbeitsrechtlichen Problemfall publik machen werde. „Täglich grüßt der Einzelfall, täglich steigt die Dunkelziffer“, sagte Muchitsch. Nach dem schwierigen Neustart von Rendi-Wagner als Parteichefin und sinkenden Umfragedaten setzt die SPÖ jetzt alle Hebel in Bewegung, damit das Arbeitszeitgesetz reformiert wird. Die SPÖ hofft, damit auch in der Öffentlichkeit punkten zu können.

Vorübergehend sah es tatsächlich so aus, dass das Arbeitszeitgesetz angepasst werden könnte. Zu Beginn dieser Woche dachten Regierungspolitiker über entsprechende Änderungen nach. „Die ÖVP ist für eine Verschärfung. Ob über gesetzlichen Weg, Erlass oder Verordnung, das muss noch geklärt werden“, meinte ein ÖVP-Sprecher. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat Unternehmen, die sich nicht an die Freiwilligkeit halten, mit schärferen Sanktionen gedroht.

Doch mittlerweile haben ÖVP und FPÖ ihre Meinung geändert. Am Mittwoch schlossen sowohl Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) als auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) eine Gesetzesänderung kategorisch aus. Dem Vernehmen nach will Türkis-Blau der neuen SPÖ-Chefin Rendi-Wagner keinen Etappensieg gönnen. Denn jede kleinste Gesetzesänderung könnte in der Öffentlichkeit dahingehend interpretiert werden, dass die SPÖ-Kritik berechtigt war.

Die Regierungslinie lautet daher, alle von der SPÖ und von den Gewerkschaften präsentierten Problemfälle seien Einzelfälle. Diese dürfen nicht überbewertet werden. Schwarze Schafe werde es immer geben. Diese sollen streng bestraft werden. Außerdem kündigte Sozialministerin Hartinger-Klein (FPÖ) einen Erlass an die Arbeitsinspektorate für strengere Prüfungen an. Diese Maßnahme reiche völlig aus, betonen jetzt ÖVP und FPÖ. Für eine Gesetzesänderung bestehe absolut keine Notwendigkeit. Somit werde auch die von der SPÖ einberufene Sondersitzung des Nationalrats nichts bringen.

Damit nicht mehr Problemfälle bekannt werden, hat die Regierung die Wirtschaftskammer aufgefordert, die Unternehmen nochmals auf die Freiwilligkeit hinzuweisen. Das wird die Kammer tun. Wirtschaftskammer-Österreich-Generalsekretär Karlheinz Kopf kündigte am Mittwoch eine nochmalige Informationsoffensive für Mitgliedsbetriebe an. Da es bei den bisherigen Problemfällen in erster Linie um Tourismusbetriebe gegangen ist, hat die Kammer an alle Betriebe in dieser Sparte Merkblätter verschickt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2018)

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