Arbeitswelten

Teals: Thomas Fundneider über sinnstiftende Büros

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Die Teals feiern mit ihren Werten, mit Eigenverantwortung und Persönlichkeit am Arbeitsplatz Erfolge. Thomas Fundneider über mögliche Auswirkungen dieses Trends auf die Bürolandschaften.

Jede Epoche hat ihre Arbeitsphilosophie, und davon abgeleitet auch die dazu passenden Organisationsstrukturen: Von der Prämisse des Befehlens und Kontrollierens des 19. Jahrhunderts über die Idee des Motivierens und Delegierens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zu den Vorstellungen von Freiräumen und Zielen um die Jahrtausendwende. Und sie alle kamen mit eigenen Arbeitsformen daher – von überwachten Fabrikshallen über hierarchisch dimensionierte Zellenbüros bis zum Großraum samt Rutsche und Coffee Corner.

In seinem Buch „Reinventing Organizations“ skizziert Frédéric Laloux, wie diese unterschiedlichen, heute teilweise noch nebeneinander existierenden Unternehmenskulturen, die er nach Farben benennt, und ihre Büros aussehen. Und wirft dabei auch ein Licht auf die noch eher wenig verbreitete Kultur der „Teals“ – zu deutsch: Petrolfarbenen –, die möglicherweise aber bald größeren Einfluss auf die Arbeitswelt nehmen könnte. „Die Presse“ hat Innovations- und Strategieberater Thomas Fundneider, Geschäftsführer von The Living Core, dazu befragt, wie dieser aussehen könnte.

Die Presse:Herr Fundneider, wer sind Teals und was kennzeichnet sie?

Thomas Fundneider: Zunächst einmal ist es wichtig festzuhalten, dass die Teals keine Altersgeneration wie die Millennials sind, sondern sich durch bestimmte Wertepräferenzen auszeichnen.

Welche sind das konkret?

Die Teals sind sehr zukunftsgerichtet und wollen für Unternehmen arbeiten, bei denen sie sich entfalten können und ernst genommen fühlen. Dabei geht es ihnen darum, als komplette Persönlichkeit wahrgenommen zu werden, mit ihren Stärken und Schwächen. Womit sich in einem gewissen Sinn Arbeit und Privates vermischt, denn der Teal legt das Konzept, dass man persönliche Befindlichkeiten nicht am Arbeitsplatz auslebt, ad acta. Er will in einem Umfeld arbeiten, in dem er einen sinnvollen Beitrag für die Zukunft leisten kann. Dahinter steckt das Konzept der „Wholeness“ (Ganzheit), das diese Menschen auch am Arbeitsplatz ausleben wollen.

Welche Auswirkungen hat dieses Selbstverständnis auf die Strukturen von Teal-Organisationen?

Im Mittelpunkt steht dabei ganz klar das sogenannte Self-Management, das oft mit flachen Hierarchien verwechselt wird. In den Teal-Organisationen geht es aber viel mehr um Eigenverantwortung und einen Gestaltungsspielraum, der ohne Festlegung auf eine bestimmte organisationale Strukturebene ausgelebt wird. Wichtig ist den Teals auch ein sogenannter Emotional Purpose – also eine Art tieferer inhaltlicher Sinn –, was bedeutet, dass ihnen nicht etwas „reingedrückt“ oder vorgegeben wird, sondern sich der Zweck beziehungsweise die Sinnhaftigkeit aus der Aufgabe heraus entwickeln. Dabei sind die Rollen oft flexibler als in anderen Organisationsformen, was sich teils auch daran zeigt, dass die Mitarbeiter keine Funktionen mehr auf ihren Visitenkarten stehen haben wollen. Denn je nach Aufgabenstellung ist man Projektinitiator, Teamleiter oder Mitarbeiter in sich selbst organisierenden Gruppen. Das führt zu Organisationsformen und Praktiken mit weniger administrativen Funktionen, weil beispielsweise nicht mehr die HR-Abteilung einstellt, sondern das Team sich die Mitarbeiter sucht, die es für eine Aufgabenstellung braucht. Und zwar – auch das zeichnet die Teal-Organisationen aus – nicht nach Konsens-, sondern nach Qualitätskriterien.

Welche Auswirkungen haben diese Organisationsstrukturen auf den physischen Arbeitsplatz, wie müssen die Büroflächen gestaltet werden?

Die Gestaltung der richtigen Arbeitsumgebung für Teal-Mitarbeiter hat viel mit dem Wholeness-Prinzip zu tun. Dabei geht es um die Frage, wie ich mir meine Arbeitsumgebung so gestalte, dass ich mich wohlfühle und so sein kann, wie ich bin – wobei ich bereit bin, durchaus auch etwas von mir preiszugeben. Was bedeutet, dass beispielsweise der persönlichen Dekoration meines Arbeitsplatzes große Bedeutung zukommt. Das können große Grünpflanzen, „Star Wars“-Figuren, kleine Gnome oder eine Kakteensammlung sein. Darüber hinaus sind die Meetingräume der Teals organischer gestaltet; mehr zum Wohlfühlen und weniger als fancy Themenräume konzipiert, wie zum Beispiel als Skihütte oder mit Beachfeeling. Den Teals geht es nicht um Inszenierung, sondern um Räume, die aus dem Zweck der Sache entstehen, etwa Silent Spaces, in die man sich zurückziehen und in denen man regenerieren kann.

Gibt es auf dem Markt bereits erfolgreiche Teal-Organisationen, die über Start-ups hinausgehen?

Die gibt es definitiv, dazu gehören Firmen wie beispielsweise der Onlinehändler Zappos, der Softwareentwickler Valve sowie der Innovationspionier W. L. Gore in Amerika oder die niederländische Pflegeorganisation Buurtzorg mit über 10.000 Mitarbeitern. Wobei natürlich nie eine dieser Formen in Reinkultur vorkommt, sondern es immer Mischformen sind. (sma)

ZUR PERSON

Thomas Fundneider ist Landschaftsarchitekt, als Berater tätig, im Vorstandsmitglied der PDMA Österreich (Product Development & Management Association) und Lektor an mehreren europäischen Unis.

(c) MetzgerMensch.Photos

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2018)

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