Technologiefirmen sollen für Obdachlose zahlen

Hohe Wohnungspreise und Obdachlosigkeit sind das Hauptproblem San Franciscos. Eine Sondersteuer soll das ändern.
Hohe Wohnungspreise und Obdachlosigkeit sind das Hauptproblem San Franciscos. Eine Sondersteuer soll das ändern. (c) REUTERS (Robert Galbraith)
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Mittels Sondersteuer will San Francisco die Folgen des Immo-Booms abmildern. Die Tech-Branche teilt sich dabei in Befürworter und Gegner.

Wien. 3300 Dollar (knapp 2900 Euro) für eine Zweizimmerwohnung. Das ist derzeit die durchschnittliche Wohnungsmiete in der amerikanischen Westküstenmetropole San Francisco. Ein Wert, der in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Seit 2009 hat er sich um rund 80 Prozent erhöht. Grund dafür ist der Technologieboom im Silicon Valley. Die dortigen Unternehmen ziehen Tausende Menschen aus der ganzen Welt an und zahlen überdurchschnittlich hohe Gehälter. Viele von ihnen wurden aufgrund von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen innerhalb kurzer Zeit sogar zu Millionären. Das sorgte für einen rasanten Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum.

Betroffen war davon vor allem die 900.000-Einwohner-Stadt San Francisco am Rande des Silicon Valleys. Denn die meist jungen „Techies“ bevorzugen in der Regel ein Leben in der Großstadt gegenüber einem in einem der Valley-Orte wie Cupertino, Palo Alto oder Menlo Park. Zudem versuchte San Francisco in den vergangenen Jahren durchaus erfolgreich, selbst Technologiefirmen anzulocken. Heute haben beispielsweise Uber, Airbnb oder Twitter ihren Hauptsitz in der Stadt.

Für die alteingesessenen Bewohner hatte diese Entwicklung mitunter drastische Folgen. So sind besonders beliebte Viertel auch für Angehörige der Mittelschicht einfach nicht mehr leistbar. Diese mussten also in jene Gegenden der Stadt ausweichen, die bisher von den sozial Schwachen bewohnt wurden. Und Letztere landeten durch diesen Verdrängungswettbewerb vielfach auf der Straße.

Mit etwa 7500 Obdachlosen hat beinahe jeder hundertste Bewohner von San Francisco kein Dach über dem Kopf. Obdachlosigkeit wird vielfach als das Problem Nummer eins der Stadt bezeichnet. Obwohl diese rund 40.000 Dollar je Obdachlosen im Jahr ausgibt, fehle es schlicht an Geld, um das Problem zu bereinigen, so lokale NGOs.

Etwa 400 Firmen betroffen

Sie brachten daher nun im Rahmen der Midterm-Elections eine Initiative zur Abstimmung, die von mehr als 60 Prozent der Bürger angenommen wurde. Die sogenannte Proposition C besagt, dass in San Francisco beheimatete Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Dollar künftig 0,5 Prozent ihrer Bruttoeinnahmen als Sondersteuer abliefern müssen. Etwa 400 Unternehmen, die rund ein Fünftel aller Jobs in der Stadt bereitstellen, wären davon betroffen. In Summe sollen dadurch künftig 300 Millionen Dollar pro Jahr eingenommen werden, mit denen etwa Sozialwohnungen für 5000 Menschen und Notfallunterkünfte für weitere 1000 geschaffen werden könnten, so die Befürworter.

Unterstützt werden die NGOs dabei vom größten Arbeitgeber San Franciscos, dem Cloud Computing Anbieter Salesforce. Salesforce-Chef Marc Benioff hat sogar sieben Millionen Dollar seines Privatvermögens für die Pro-Kampagne gespendet. Er steht damit in direkter Konkurrenz zu Twitter-Chef Jack Dorsey oder dem Gründer der Spielefirma Zynga, die die Kontra-Kampagne unterstützen. Auf der Seite der Gegner ist auch die Bürgermeisterin London Breed. Sie will das Problem ohne eine zusätzliche Steuer lösen.

Die Gegner argumentieren, dass die Sondersteuer den Standort unattraktiver machen werde und nicht notwendig sei. Da die Zweidrittelmehrheit nicht erreicht wurde, können nun auch Rechtsmittel eingelegt werden, was die Einführung jedenfalls verzögern wird.

Dass die Technologiefirmen von den lokalen Kommunen verstärkt zur Kasse gebeten werden, dürfte aber ein allgemeiner Trend werden. So gab es auch im Silicon-Valley-Ort Mountain View eine entsprechende Abstimmung. Dort müssen Firmen künftig je Mitarbeiter 150 Dollar im Jahr bezahlen. Das Geld soll für leistbares Wohnen und Maßnahmen gegen Verkehrsprobleme verwendet werden. Die Gemeinde zielt damit ganz klar auf den größten Arbeitgeber – Google. Der Internetkonzern dürfte 60 Prozent der erwarteten sechs Millionen Dollar pro Jahr berappen müssen. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2018)

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