Architektur: Drei Häuser beim Steffl

Das erste Haas-Haus, erbaut 1866.
Das erste Haas-Haus, erbaut 1866.(c) Unbekannt
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In dritter Haus-Generation steht am Stock-im-Eisen-Platz 4 eines der prominentesten Bauten Wiens. Ein Platz im Wandel der Zeit, zwischen Sensation und Protest.

Es war eine kleine Sensation, die 1866/67 schräg gegenüber dem Stephansdom eröffnet wurde: das erste Geschäft Wiens, das ein ganzes Gebäude für sich beanspruchte. Wo seit dem Mittelalter zwei Häuser mit wechselvoller Geschichte Platz gefunden hatten – unter anderem soll sich hier die Schank des ersten Kaffeesieders Franz Georg Kolschitzky befunden haben –, prägte nun das großzügige „Teppichhaus Philipp Haas & Söhne“ die prominente Adresse. Ein palaisartiges Gebäude im historistischen Stil des französischen Barocks und mit einem prachtvollen Portal, das die Kunden anlocken und zum Betreten des noblen Firmensitzes einladen sollte.

Bau von 1953.
Bau von 1953.(c) Harald Hofmeister

Gründerzeitpracht

Entworfen von August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll (den beiden Erbauern der Staatsoper), entsprach das Haus ganz dem neuen Geist der Gründerzeit, die ab 1850 über Wien hereingebrochen war: Die Stadtmauer war gefallen, die Donau wurde reguliert, die Vorstädte wurden eingemeindet und auch die Innenstadt erhielt ein neues Gesicht. So war etwa das „Elefantenhaus“ zwischen Graben und Stephansplatz abgebrochen worden – eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung des ersten Haas-Hauses als Eckbau mit Blick auf beide Plätze. Die Familie konnte sich erfolgreich etablieren: 1867 erhielt Sohn Eduard Haas das Großkreuz des Franz-Josephs-Ordens für die Errichtung von Arbeiterwohnungen eines Arbeiterpensionsfonds. Zweigniederlassungen der Teppich- und Möbelstofffabriken bestanden um 1900 in Lemberg, Prag, Graz und Linz. Nach dem Ersten Weltkrieg ging es finanziell bergab, Enkel Philipp Haas beging 1926 Selbstmord.
Das Haus überdauerte den Zweiten Weltkrieg fast: Es brannte am 11. April 1945 vollständig aus. Dach und Zwischenböden stürzten ein, es blieb ein Gewirr verbogener Eisentraversen, von Mauerresten und Schutt.

Nachkriegsstrenge

1953 entstand an der prominenten Adresse das zweite Haas-Haus: Nachkriegsstreng und schlicht präsentierte sich das gemischte Warenhaus im Stil der neuen Zeit, das nun auch ein Café mit Aussicht beherbergte. Dem Bau war ab 1949 ein viel diskutierter Wettbewerb zur Gestaltung des Stephansplatzes vorausgegangen. Architekt Carl Appel etwa trat für klar differenzierte Raumfolgen von Graben, Stock-im-Eisen-Platz und Stephansplatz ein, was aber, auch wegen des Wunsches nach mehr Übersicht für den aufkommenden Autoverkehr, nicht umgesetzt wurde.

Drittes Haas-Haus, 1990 eröffnet.
Drittes Haas-Haus, 1990 eröffnet.(c) Stanislav Jenis

Der Platz blieb offen, das Haus wurde von Carl Appel, Max Fellerer und Eugen Wörle (die beiden Letzten realisierten auch den Neubau des Gänsehäufels und den Innenausbau des Parlaments) realisiert. Sein spröder Charme prägte allerdings nur 33 Jahre lang die erste Lage am Platz, zu sehr hatten sich Umwelt und Anforderungen gewandelt: Die Straßen ringsum wurden zur Fußgängerzone, die Touristen zahlreicher, die U1 hielt am Stephansplatz, das Denken wurde weltoffener und prestigeträchtiger. Ein neues Gebäude sollte – wie schon 1866 und 1953 – den Wandel der Zeiten sichtbar machen. 1985/86 wurde der Altbau unter Protestaktionen abgerissen.

Spiegelfläche

Am 15. September 1990 öffnete das bislang letzte Haas-Haus seine Türen. Mitgenommen hatte Architekt Hans Hollein neben dem Namen und der Idee, die Aussicht bei einem Café ganz oben zu genießen, auf den ersten Blick nicht viel: Anders als seine Vorgänger halbrund, bildet das Gebäude durch die teils verspiegelte Fassade und den Erker einen starken Kontrast zum gegenüberliegenden Stephansdom – für so manchen ein Affront der historischen Bausubstanz gegenüber, was den Bau lange Zeit zum meistdiskutierten in Österreich gemacht hat. Das Innere war geprägt von einem sich konisch nach oben erweiternden Zentralraum, der 2001 bei einem Umbau verloren ging.

Hollein gestaltete auch die Pflasterung, die Beleuchtung und die Sitzbänke vor dem Haus und griff damit als erster Haas-Haus-Architekt in die Platzgestaltung ein.

Zum Ort

Der erste Wiener Bezirk, die Innere Stadt, zählt mit rund 110.100 Beschäftigten die meisten Arbeitnehmer aller Wiener Bezirke. Er war bis zur Eingemeindung der Vorstädte 1850 die ursprüngliche Stadt, besiedelt seit keltischer Zeit. Die Anfänge des Stephansdoms gehen auf 1137 zurück. Geschäftslokale in Toplagen kosten zwischen 171,8 Euro/m2 (Lokale ab 150 m2) und 291,3 Euro/m2 (bis 60 m2), in Nebenlagen zwischen 16,7 Euro/m2 und 25,3 Euro/m2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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