Satire, Krimi und PROVINZ

Worum es nicht nur im Damischtal geht: Die schöneren Blumen, die größere Ernte, die höheren Einnahmen – und die tieferen Abgründe.
Worum es nicht nur im Damischtal geht: Die schöneren Blumen, die größere Ernte, die höheren Einnahmen – und die tieferen Abgründe.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Österreich. Eine literarische Wanderung durch das – vielleicht nicht ganz so fiktive – Damischtal. Die Gegend versammelt alles, was eine echte Provinz ausmacht. Von Buschenschänken über Blumenschmuck bis Aussichtskapellen.

Seltsam, dass es sich auf keiner Landkarte findet, vielleicht liegt dieses Damischtal ja zu sehr im Landeswinkel, zu unmittelbar an der Grenze. Der Wadlpass führt zum Nachbarn hinüber, nicht allzu rege ist der kleine Grenzverkehr. Was verwundert, denn im Grunde ist das Damischtal eine Region mit besonderen Reizen. Urlauber, die sie entdeckt haben, kommen immer wieder, weil sie hier unverhofft in ein Abenteuer geraten können.

Sanft und träge windet sich der Fluss, der schon viel Aufregendes gesehen hat, durch üppige Botanik. Zuletzt hatten sich die Damischtaler gegen ein geplantes Flusskraftwerk in ihrer Aulandschaft stark gemacht: Denn es sollte dort eben nicht nur Gelbbauchunken und Schwarzerlen an den Kragen beziehungsweise Stamm gehen, sondern auch der Tourismus den Bach hinunter, sobald die Bagger anrollen.

Neuer Themenweg

Wanderrouten führen ohne gröbere Steigungen zwischen Kürbisäckern, Kukuruzfeldern und Klapotetzen (das sind die klappernden Gestelle zur Vertreibung der Vögel) dahin. Mit dem 20 Kilometer langen Vogelstimmenwanderweg hat man hier Initiative gezeigt, mehr in den Tourismus zu investieren. Die einschlägige Literatur schwärmt vom „nahezu bukolischem Reiz“ der auch von Wein geprägten Gegend, der noch weiter erschlossen werden müsse. Stimmt, allein schon wenn man die Menge an Buschenschänken bedenkt, die hier am Weg liegen. Die sind auch die Gelegenheit für den Gast, mit den Damischtalern näher in Kontakt zu treten, die auf den ersten Blick friedlich und freundlich wirken. Man weiß hier wirklich zu feiern und die Ernte (eine spezielle Rebsorte) auszukosten. Gastronomisch wird einiges geboten, vor allem, wenn man Schweinsbraten mit Kraut und Erdäpfelknödeln mag. Ein Tipp beim Bestellen im Gastgarten bei der Pestsäule: Wegen des schwierigen Dialekts besser zweimal nachfragen.

Mächtige Ortskaiser

Denn besiedelt wird dieser von den Segnungen der Zivilisation nur wenig beeinträchtige Landstrich von gestandenen Bewohnern, die mit den Geschehnissen vor Ort zu viel tun haben, als dass sie gern in die Landeshauptstadt fahren. Das umgekehrt hat zur Folge, dass so mancher Masthendlkaiser und die Vertreter der katholischen Kernölkfraktion ziemlich das Sagen haben. Aber sonst ist das Damischtal ein beschauliches Bollwerk der Gemütlichkeit.

Gesunder Wettbewerb

Nicht so gemütlich ist der lokalpolitische Alltag, denn den dominieren (leider wie so oft) zwei antagonistischen Gemeinden, die als Tourismusregion eigentlich zusammenhalten müssten. Die beiden Gemeinden Plutzenberg und Gfrettgstätten sind einander oft nicht grün, wegen Blumenschmuck, Veranstaltungen, ja eigentlich allem.

Eine der gemeinsamen Sehenswürdigkeiten ist die Klachlkapelle, ein ritueller Ort, an dem sich angeblich eine schaurige Geschichte rund um eine blutende Schweinsblase zugetragen haben soll. Besonders sehenswert ist hier die Statue des Hl. Bartholomäus aus dem 15. Jahrhundert. Der Anstieg zu diesem Sakralbau und Ausflugsziel ist von Damischtaler Seite aus derart steil, dass der Name Märtyrermugl durchaus seine Berechtigung hat. Weiter geht es zu einer Alm, von der man einen herrlichen Ausblick auf den Sterzkogel hat. Hier empfiehlt es sich, bei „Zur schönen Aussicht“ vulgo Birnstingl einzukehren und auch einen Blick in das nahe Fotzhobelmuseum (Mundharmonika) zu werfen. Als Souvenir eines Damischtal-Urlaubs eignet sich allerdings der Räucherschinken von der Klapotezkeule aus der Genuss-Fleischerei Mostburger besser.

Dichtung und Landschaft

Tirol hat seine in einem Gebirgstal verortete „Piefke-Saga“, Niederösterreich erfreut sich an den Erscheinungen rund um das nicht so entlegene „Braunschlag“ und Innerösterreich an einem Ort namens „Bad Fucking“ (von Kurt Palm). Auch die Steiermark hat nach dem legendären Buch „Aus dem Leben Hödlmosers“ von Reinhard P. Gruber einst ein satirisches Ebenbild erhalten. Welches nunmehr im famosen „Kernölkrieg“ von der steirischen Kriminalautorin Klaudia Blasl gipfelt, die in der fiktiven Landschaft des Damischtals ihre skurrilen und sprachmächtigen Geschichten ansiedelt. Persiflage und Provinz liegen in Österreich eben sehr gern nebeneinander.

Buchtipp

Mit „Miederhosenmord“ und „Gamsbartmassaker“ hat die Autorin Klaudia Blasl den Leser bereits in die Landschaft, die Rituale und die Verbrechen im Damischtal eingeführt. „Kernölkrieg“ siedelt die Handlung im Kampf gegen ein Kraftwerk an. Charakteristisch für Blasls kriminalistische Provinzsatiren ist sprachmächtiger Witz. Die Autorin lebt und schreibt in Mautern/Obersteiermark und im Südburgenland. „Kernölkrieg“ ist im Emons Verlag erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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