Das Ende des Arbeitsfriedens: Streik ab Montag

Rainer Wimmer (Pro-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp).
Rainer Wimmer (Pro-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp).(c) APA/ROBERT JAEGER
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Nach dem Abbruch der fünften Tarifrunde stehen die Zeichen auf Kampf: Erstmals seit 2011 stehen die Förderbänder in der Metallindustrie wieder still. Vorerst zeichnet sich keine Kompromissbereitschaft ab.

Wien. Der Zwölf-Stunden-Tag, wie ihn die Regierung im neuen Arbeitszeitgesetz vorsieht, ist und bleibt das rote Tuch für die Gewerkschaft. Den schlagenden Beweis dafür lieferten die Arbeitnehmervertreter der Metaller mit Rainer Wimmer (Pro-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp) an der Spitze in der Nacht auf Freitag: Nach zehn Stunden brachen sie die fünfte Tarifrunde für die 134.000 Beschäftigten der metalltechnischen Industrie ab. Die Folge: Ab Montag wird gestreikt.

Genau gesagt: Die seit voriger Woche laufenden und unterbrochenen Betriebsversammlungen werden in Warnstreiks umgewandelt. Das grüne Licht für Kampfmaßnahmen hat der ÖGB gegeben. Wie lange und in welchen Betrieben die Arbeit ruhen soll, wollen Wimmer und Dürtscher nicht sagen. Bis Mittwoch dürften die Warnstreiks dauern, wie Pro-GE-Sprecher Mathias Beer der „Presse“ bestätigte.

Dass die Lohnrunde keine leichte Übung sein werde, zeigte sich schon zu Beginn der Gespräche, in deren Verlauf der Ton ruppiger wurde: Die Gewerkschaften nahmen das neue Arbeitszeitgesetz, das eine Höchstarbeitszeit von zwölf Stunden täglich vorsieht, als Fehdehandschuh, den sie nur zu gern den Unternehmen vor die Füße warfen. Der Streik richte sich aber nicht gegen die Regierung, wurde beteuert.

Die Unternehmer stellten das Junktim in Abrede und konterten die Forderung der Arbeitnehmervertreter nach fünf Prozent Lohnsteigerung plus umfangreichen Ausgleichsforderungen für die neuen Arbeitszeitregeln mit einem zweiprozentigen Gegenangebot. Das wurde zwar – per Telefon nach Abbruch der Verhandlung – auf 2,7 Prozent erhöht und um weitreichende Zugeständnisse im Rahmenrecht erweitert. Zu spät: „Wir fühlen uns durch das Offert nicht ernst genommen“, sagte Wimmer.

Hätte sich mit einem „Dreier vor dem Komma“ der Eklat nicht vermeiden und eine Einigung erreichen lassen? „Unser Angebot ist fair, das Gesamtpaket ist mehr als drei Prozent wert“, sagt Arbeitgeber-Vertreter und Fachverbands-Obmann Christian Knill zur „Presse“. Zu einer weiteren Aufbesserung sei man gar nicht gekommen. „Wir waren bis auf einen Punkt des Rahmenpakets einig.“ Stimmt nicht, kontern Wimmer und Dürtscher. „Herr Knill rechnet in die drei Prozent die rahmenrechtlichen Verbesserungen ein. Er sagt aber nicht dazu, dass die Arbeitgeberseite auch beim Rahmenrecht in letzter Minute einen Rückzieher gemacht hat und bereits getroffene Einigungen wieder in Abrede gestellt hat.“

Da steht Aussage gegen Aussage – von der einst so viel gerühmten Sozialpartner-Harmonie ist nicht viel übrig geblieben. Als nicht gerade hilfreich erweist sich die Empfehlung von Knill, die 1200 Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern freiwillig rückwirkend per 1. November die Löhne und Gehälter um 2,7 Prozent erhöhen, sollten die Kampfmaßnahmen anhalten. Der Aufschrei kam prompt: „Die Arbeitgeber wollen die Belegschaft spalten“, tobte Dürtscher.

Jede Sparte verhandelt gesondert

Zum Hintergrund: Seit sechs Jahren gibt es keine „Metaller-Runde“ mehr. Die Kollektivverträge der sechs Branchen mit insgesamt 192.000 Beschäftigten werden getrennt verhandelt. Was den Gewerkschaften von Anfang an ein Dorn im Auge war. Allerdings blieb die metalltechnische Industrie als größte Sparte Vorreiter und gibt auch die Höhe der Abschlüsse vor. Die Warnstreiks gelten nur in dieser Branche – für die anderen (Fahrzeugindustrie, Bergbau-Stahl, Gießereiindustrie, Nichteisen-Metallindustrie, Gas- und Wärmeversorgung) werden die Gespräche fortgesetzt. Die Gewerkschaften wollen den Druck auch dort erhöhen.

Wie soll es in der Metalltechnik weitergehen? Beide Seiten zeigen sich gesprächsbereit, aber keiner will den ersten Schritt tun. So werden zumindest ein paar Tage die Förderbänder stillstehen – eine Seltenheit in Österreich. Zuletzt wurde 2011 in 200 Betrieben gestreikt. Es gab ein Lohnplus von 4,2 Prozent – einer der höchsten Abschlüsse der letzten Jahre. Über drei bzw. drei Prozent gab es 2011, 2013 und eben im Vorjahr.

Bleibt die Frage, was die Betriebe billiger kommt – ein paar Tage Streik oder ein hoher Lohnabschluss. Laut Knill kostet ein Streiktag die 1200 Betriebe 30 bis 50 Mio. Euro. Angesichts einer Lohnsumme der gesamten Branche von 8,1 Mrd. Euro kostet jeder Prozentpunkt Lohnerhöhung rund 80 Mio. Euro. Ökonomen meinen, dass Streiks der Wettbewerbsfähigkeit mehr schaden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2018)

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