Ein Hoch auf die österreichische Streikkultur!

Streik
Streik APA/GEORG HOCHMUTH
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Heute tritt die Metalltechnische Industrie in den Warnstreik. Wer in einem Land aufwächst, in dem jeden Tag irgendwo irgendjemand streikt, kann die Aufregung in Österreich schwer nachvollziehen.

„Bahnt sich ein Streik an?“ „Eine Streikdrohung steht im Raum“, „Jetzt fix: ÖGB droht mit Streik“. So geht es weiter und nach gefühlt hundert Schlagzeilen rund ums Thema wird er dann tatsächlich beschlossen. Heute ist es soweit, Warnstreiks in der Metalltechnischen Industrie starten. Ein Drama! Wenn man in einem Land aufwächst, in dem jeden Tag irgendwo irgendjemand streikt, muss man diese Hysterie um den Arbeitskampf erst mühsam erlernen. Denn gleich hinter dem Brenner kommt eine Streikdrohung dem umgefallenen Sack Reis in China gleich.

Die Streikkultur in Italien hat durchaus schöne Seiten. Die Autorin dieser Zeilen kam dank streikfreudiger Lehrer immer wieder mal in den Genuss zusätzlicher freier Schultage, die nicht selten auf einen Zwickeltag fielen. Alles Zufall, versteht sich. Auch die Arbeitsniederlegungen im Öffentlichen Verkehr kommen bei Schülern – Überraschung! - gut an. Kann man halt nichts machen, wenn der Bus nicht kommt. Die aktuelle Lage verrät die Webseite des Verkehrsministeriums: Allein im November fallen noch 17 kleinere und größere Streiks im Bahn-, Bus- und Flugverkehr an. Aufregen tut das längst keinen mehr - oder, um es mit dem Schriftsteller Theodor Mügge zu sagen: "Der Mensch gewöhnt sich an alles, und es gibt nichts, wozu er nicht lachen könnte."

Die langfristigen Folgen des ständigen Arbeitskampfes wiegen dennoch schwer: Die Attraktivität des Standorts leidet, dringend notwendige Reformen wurden nicht umgesetzt. Viele junge und nicht mehr ganz so junge Italiener müssen sich von befristetem Vertrag zu befristetem Vertrag hangeln, weil es sich die Arbeitgeber beim strengen Kündigungsschutz (eine Lockerung wurde von der neuen Regierung wieder zurückgenommen) dreimal überlegen, wen sie unbefristet anstellen. Andere Junge können gar nicht mehr die Dienste der Gewerkschaften beanspruchen, da sie nicht im Arbeitsmarkt ankommen: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent.

Natürlich wäre es zu kurz gegriffen, den Arbeitnehmervertretern die Alleinschuld an der Misere zu geben. Auch im wirtschaftlich starken Dänemark wird viel gestreikt und ein paar Streikminuten mehr - 2017 gab es keine einzige! - werden Österreich nicht in den Grundfesten erschüttern. Aber: Wenn man sich erst einmal an pünktliche Züge gewöhnt hat, möchte man sie nicht mehr missen.

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