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Der Spion, der sehr gelegen kam

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Wie der Zufall so spielt: Wann immer ein für die Regierung unangenehmes Thema auftaucht, passiert plötzlich etwas, das alles übertönt.

Es ist schon ein Glück, das diese Regierung hat. Kaum gibt es unangenehme Themen, kaum gibt es Ansätze von Meinungsverschiedenheiten, kaum lässt sich die Message nicht mehr so controlen, wie das die Spindoktoren gerne hätten – schwuppdiwupp, passiert irgendetwas.

Vergangene Woche war es der Spion, der sehr gelegen kam. Die Medien berichteten gerade über verschiedene Grauslichkeiten, die mit der Einführung des Zwölfstundentags einhergingen – nämlich, dass Menschen tatsächlich zwölf Stunden lang arbeiten sollen; die Gewerkschaft versuchte, das Feuer für den oftmals angekündigten heißen Herbst in Form von Streiks der Metaller anzuheizen – da tauchte in Salzburg ein russischer Spion auf.

Bundeskanzler und Verteidigungsminister verkündeten die Enttarnung derart kurzfristig und schnell, dass die Justiz gar keine Zeit mehr fand, eine Festnahme anzuordnen. Der Mann konnte sich frei in Österreich bewegen, hätte also noch problemlos fliehen können. Erst mehr als zwölf Stunden später wurde der pensionierte Oberst festgenommen, der, wie sich bald herausstellte, außer dem Rang wenig gemein hat mit dem k. u. k. Spion Alfred Redl, mit dem er anfangs verglichen wurde. Während Letzterer in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Details der österreichisch-ungarischen Rüstungs-, Mobilmachungs- und Aufmarschpläne an Russland lieferte, konnte Ersterer lediglich im Intranet des Bundesheeres stöbern. Die männliche Version der Mata Hari war er jedenfalls nicht.

Aber eben: Seine Enttarnung, die, wie die Russen bemängelten, in einer Art „Megafondiplomatie“ erfolgte, lenkte von anderen Themen ab. Ganz so wie im Jänner 2018 bei der Affäre rund um die niederösterreichische FPÖ. Damals berichtete eine Wochenzeitung über Lieder, die man bei der Burschenschaft Germania sang und deren Text unter anderem so ging: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“ Mitglied der singenden Burschenschafter: Udo Landbauer, damals Spitzenkandidat der FPÖ für die Landtagswahl in Niederösterreich.

Just in die allgemeine Empörung und Aufregung platzte die Meldung, dass Mitarbeiter im Büro von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine „Wanze“ fanden, also eine Abhöreinrichtung. Sie berichteten sogar von seltsamen Geräuschen und von einem mutmaßlichen Einbrecher, den sie über eine Nottreppe verschwinden sahen.

Die Republik stand kopf, Experten des damals noch geschätzten Bundesamts für Verfassungsschutz ermittelten – nur um Monate später Entwarnung zu geben. Die Abhöreinrichtung war nichts anderes als ein altes Kabel einer Kommunikationsleitung des Parlaments, um die Debatten in das Ministerbüro übertragen zu können.

Solche Zufälle helfen freilich nicht nur Österreichs Regierung, auch in den USA hatten die Republikaner mit ihrem Hauptthema, den illegalen Einwanderern, politisches Glück. Just vor den Kongresswahlen machten sich Tausende Menschen in Südamerika auf den Weg Richtung USA. Präsident Donald Trump schickte umgehend das Militär schwer bewaffnet an die Grenze, von der die „illegale Karawane“, die die „nationale Sicherheit bedroht“, zu dem Zeitpunkt noch Hunderte Kilometer entfernt war. Und jetzt? Seit die Wahl geschlagen ist, spricht niemand mehr vom Ansturm.

Vor vielen Jahren lief der wundervoll unterhaltsame Film „Wag the Dog“ in den Kinos. In „Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt“ (deutsche Übersetzung) gerät der US-Präsident knapp vor der Wahl in eine Sexaffäre. Teuer bezahlte Berater (Dustin Hoffman, Robert De Niro) inszenieren daraufhin einen völlig fiktiven Krieg gegen Albanien, um die Aufmerksamkeit der Medien abzulenken. Es gelingt, die Sexaffäre spielt auf einmal keine Rolle mehr, und der Präsident wird wiedergewählt.

Als sich Drehbuchautoren und Regisseur 1997 zusammensetzten und „Wag the Dog“ schrieben, glaubten sie wahrscheinlich, eine wunderbar überzogene politische Satire zu kreieren. Heute könnte man den Unterhaltungsstreifen als geradezu prophetisch bezeichnen.

E-Mails an: norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2018)