Seehofer: Zum Abschied ein Rätsel

Horst Seehofer: „Der Wechsel gehört zum Leben, auch für mich.“
Horst Seehofer: „Der Wechsel gehört zum Leben, auch für mich.“(c) APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Horst Seehofer gibt nach und geht – aber auf seine Weise: Nach zehn Jahren legt er den CSU-Vorsitz zurück, Zeitpunkt und Nachfolger sind noch offen. Innenminister möchte er bleiben.

Berlin. Die zwei hatten einen Deal. Zugegeben, es ging nicht um große inhaltliche Fragen. Wie denn auch, dazu hätten die Rivalen einander vertrauen müssen. Die Vereinbarung betraf vielmehr den Zeitplan nach der Wahl in Bayern: Bis zur Präsentation der Landesregierung sollte keine Personaldebatte eröffnet werden. Davon wollten beide profitieren.

Der eine war Markus Söder: Der Ministerpräsident musste rasch eine Koalition mit den Freien Wählern bilden. Dafür brauchte er Ruhe in der CSU. Außerdem wollte er die volle Aufmerksamkeit für sich: Nichts sollte von der offiziellen Vorstellung seines neuen Teams ablenken.
Der andere war Horst Seehofer: Der Parteichef nutzte die Zeit, um seine Chancen auszuloten. Er wollte weiterhin Parteichef der CSU bleiben. Die Frage war nur: Will das auch die CSU?

Und dann kam der Montag. Der Tag, an dem Söder endlich sein neues Team präsentierten wollte. Doch Deutschland blickte nicht zu ihm in den Münchner Landtag, sondern nach Bautzen in Sachsen. Dort gab Seehofer bei einem Besuch eines Polizeizentrums bekannt, was am Vorabend bei einer Parteisitzung schon durchgesickert war: „Ich werde das Amt des Parteivorsitzenden der CSU niederlegen“, sagte er. „Der Wechsel gehört zum Leben, auch für mich.“ Nach zehn Jahren an der Spitze werde er zurücktreten. „Aber“, fügte Seehofer hinzu „das Amt des Bundesinnenministers bleibt davon unberührt.“

Was bedeutet das nun für die CSU, die Union, die Große Koalition in Berlin? Darüber will Seehofer noch etwas rätseln lassen. Details dazu sollen erst in den kommenden Tagen folgen.

Seehofer musste also nachgeben: Seine Partei macht ihn für die Regierungskrisen und den Absturz bei der Wahl auf 37,2 Prozent verantwortlich. Er ist es auch, aber er ist es nicht allein. Etwas beleidigt soll Seehofer daher gewesen sein, als er bei der CSU-Sitzung am Sonntagabend so viele kritische Äußerungen hören musste. Auch deswegen könnte er seinen Rücktritt zu diesem Zeitpunkt angekündigt haben.

CSU und CDU: Wer geht zuerst?

So stiehlt Seehofer seinem Rivalen Söder zumindest ein bisschen die Show, kommt ihm noch etwas in die Quere. Und er zieht seinen Abschied in die Länge: Viele in der CSU sprachen sich für einen Parteitag Anfang Dezember aus, um einen neuen Parteichef zu wählen. Seehofer selbst soll hingegen einen Termin im neuen Jahr vorziehen. So würde er auch länger im Amt bleiben als die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, die sich am 7. Dezember offiziell von der Parteispitze verabschiedet.

Je länger sich Seehofer mit seiner Übergabe Zeit lässt, desto heftiger kann über seine Nachfolge debattiert werden. Immer mehr CSU-Anhänger sprechen sich dafür aus, dass die beiden wichtigsten Ämter wieder in einer Hand sein sollten, also jener von Markus Söder. Der Ministerpräsident hatte lange keine Ambitionen, den Parteivorsitz zu übernehmen. Einerseits, weil er in Bayern präsent sein wollte. Andererseits, weil er mit Merkel nicht auftreten und verhandeln wollte. Der angekündigte Wechsel an der CDU-Spitze könnte seine Meinung geändert haben.

Es gibt allerdings auch einen zweiten potenziellen Bewerber: Markus Weber will im kommenden Jahr zwar EU-Kommissionspräsident werden. Theoretisch sei eine Verbindung der beiden Ämter aber nicht ausgeschlossen, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Schwieriger könnte die Suche nach einem Nachfolger für Seehofer werden, sollte er doch alle Funktionen zurücklegen. Joachim Herrmann, bisher als Nachfolger für Berlin gehandelt, wurde am Montag in Söders Kabinett präsentiert. Er bleibt Innenminister – in München.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2018)

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