Kompetenzbereinigung vertagt: Niessl verwundert über Skepsis der Bundes-SPÖ

Ministerrat Wien BKA 17 10 2018 Sebastian KURZ Josef MOSER Hans NIESSL Heinz Christian STRACH
Ministerrat Wien BKA 17 10 2018 Sebastian KURZ Josef MOSER Hans NIESSL Heinz Christian STRACHimago/SKATA
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Die Koalition brachte das Gesetzespaket in dn Verfassungsausschuss, aber stimmte einer Vertagung zu. Hans Niessl, SPÖ-Landeshauptmann des Burgenlands, nennt die Skepsis seiner Partei ob der von ihm mitverhandelten Verfassungsreform "unbegründet".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben am Mittwoch an die Bundes-SPÖ appelliert, von ihrem Nein zum Kompetenzbereinigungspaket noch abzurücken. Er richte einen Appell an die Sozialdemokratie, sagte Kurz im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Weil das Gesetzespaket die "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe vorsieht, ist die Zustimmung der SPÖ noch nicht gesichert. Die Koalition schaffte es am Mittwoch zwar, das Thema auf die Tagesordnung des Verfassungsausschusses zu setzen - der vertagte es aber letztlich einstimmig auf 6. Dezember.

Dass die Länder die Regeln für die Jugendämter künftig selbst schreiben sollen, stößt seit Monaten auf Kritik - etwa von der Volksanwaltschaft, aber auch von den Kinder- und Jungendanwälten in den Bundesländern. Daher sollen die bis dato bundesgesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards nun in einem 15a-Vertrag übernommen werden. Und erst wenn diese Vereinbarung vorliegt, will die SPÖ entscheiden, ob sie der Verländerung zustimmt. Allerdings ist die Partei dabei in einer Zwickmühle, weil die Reform von den SPÖ-Landeshauptleuten unterstützt wird.

Kurz verwies am Mittwoch darauf, dass das Paket gemeinsam mit den Ländern ausgehandelt wurde - unter Federführung von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Kurz erinnerte daran, dass Niessl selbst an der Pressekonferenz am 17. Oktober im Kanzleramt teilgenommen hatte. Die Einigung sei "über alle Parteigrenzen hinweg" gelungen. Zum gestrigen Nein der Bundes-SPÖ sagte Kurz, er "hoffe sehr darauf, dass das Wort der Landeshauptleute zählt und innerhalb der SPÖ ernst genommen wird".

FPÖ-Chef Strache bezeichnete es als "bedauerlich, dass die Sozialdemokratie bis dato hier offenbar daran denkt, das verweigern zu wollen". Ein Nein wäre ein Konterkarieren dessen, was die SP-Landeshauptleute ausgehandelt hatten.

Auch Justizminister Josef Moser (ÖVP) hatte am Mittwoch vor Beginn der Ministerratssitzung sein Bedauern über das vorläufige Nein der SPÖ zum Kompetenzbereinigungspaket geäußert. Österreich brauche diese Verfassungsreform, betonte Moser vor der Regierungssitzung. Zur Forderung der SPÖ, die vor ihrer Zustimmung eine 15a-Vereinbarung über Mindeststandards bei der Kinder- und Jugendhilfe abwarten will, erklärte man im Justizressort, dass laut Gesetzesentwurf ohnehin alles solange so bleiben würde, wie es derzeit ist - bis sich die Länder auf eine 15a-Vereinbarung einigen.

Vorwürfe für Niessl "aus der Luft gegriffen"

Die Regierungsfraktionen benötigen für die Umsetzung des Paketes zur Kompetenzentflechtungen zwischen Bund und Ländern die Zustimmung der SPÖ, da es dafür sowohl im Nationalrat wie auch im Bundesrat eine Zweidrittel-Mehrheit bedarf. Eigentlich hätte die Materie am Mittwoch im Verfassungsausschusses des Nationalrates beschlossen werden sollen, wurde aber wegen der Bedenken der SPÖ wieder von der Tagesordnung genommen.

Verwunderung über die Ablehnung der Bundes-SPÖ kam unterdessen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der als Vorsitzender des Landeshauptleutekonferenz das Paket im Oktober gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) verhandelt hatte (was "net sehr einfach" gewesen sei). In der "Kronen Zeitung" erklärt er: "Es gibt aufrechte Beschlüsse, die vertrete ich als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz auch. Wir haben das so vereinbart, also soll man das jetzt auch so machen." Die Skepsis der Bundespartei betrachtete er als "unbegründet" und die Vorwürfe als "aus der Luft gegriffen".

Gelassene SPÖ in Kärnten und Wien

In der Kärntner SPÖ wurde unterdessen die Bundeslinie betont. Zuerst müsse die 15a-Vereinbarung bezüglich der Kinder- und Jugendhilfe abgeschlossen werden, danach stehe einer Zustimmung nichts mehr im Wege, hieß es am Mittwoch aus dem Büro von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Der SPÖ-Parlamentsklub habe Bedenken geäußert, die leicht aus der Welt zu schaffen seien. Einen Konflikt innerhalb der SPÖ sieht man im Kaiser-Büro trotz der Aussagen Niessls nicht. "In diese Falle wird die SPÖ nicht hineintappen", sagte ein Sprecher Kaisers.

Auch der Wiener Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) sieht das Thema gelassen. "Wir werden die noch offenen Fragen besprechen. Ich bin sicher, dass es da eine konstruktive Lösung gibt", sagte er am Rande einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Platter: "Konsens nicht hintertreiben"

Tirols Landeschef Günther Platter (ÖVP) übte ebenso scharfe Kritik an der roten Bundesspitze. Er attestierte den Sozialdemokraten eine "reine Blockadepolitik". "Jahrelang Kompetenzbereinigungen zu fordern und dann aus reinem Parteikalkül zu blockieren, ist keine verantwortungsvolle Politik", meinte Platter am Mittwoch.

"Die Bundesländer sind auf Linie", sagte Platter. Die Bedenken der SPÖ im Zusammenhang mit der Verländerung der Kinder- und Jugendhilfe wies Tirols Landeschef zurück. Dabei gebe es eine "abgesprochene Vorgangsweise", wonach die Kompetenz erst nach einer bestehenden 15a-Vereinbarung wandere. Die SPÖ-Bundesspitze solle "diesen bundesweiten Konsens nicht weiter hintertreiben".

"Irritiert" gab sich auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ebenfalls ÖVP). Er unterstellte der Bundes-SPÖ "taktische Spielchen". Die Ländervertreter hätten sich nach langen Verhandlungen auf eine gemeinsame Vorgangsweise geeinigt. "Ich danke auch den Landeshauptmannkollegen aus dem Burgenland, Kärnten und Wien, dass sie - so wie wir alle - bei den Verhandlungen ihre staatspolitische Verantwortung über parteipolitische Bedürfnisse gestellt haben", sagte Stelzer. Er appelliere daher nun an die SPÖ-Spitze, "sich an das zu halten, was parteiübergreifend vereinbart wurde und dass sie meine Kollegen jetzt nicht im Regen stehen lassen".

(APA)

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