Harry Potter und der Rassenwahn

Der böse Grindelwald (Johnny Depp) versammelt seine Anhänger: Die „Phantastische Tierwesen“-Filmreihe zieht Parallelen zur europäischen Geschichte.
Der böse Grindelwald (Johnny Depp) versammelt seine Anhänger: Die „Phantastische Tierwesen“-Filmreihe zieht Parallelen zur europäischen Geschichte.Warner Bros.
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In der „Phantastische Tierwesen“-Reihe erzählt J. K. Rowling die Vorgeschichte ihrer Zauberersaga. Teil zwei deutet dunkle Zeiten an, die auch mit dem Weltkrieg zu tun haben.

Im Jahr 2007 ging die Geschichte Harry Potters mit dem letzten von sieben Büchern zu Ende. Eigentlich. Denn seine Schöpferin, J. K. Rowling, ist seitdem emsig damit beschäftigt, ihr Zauberuniversum in alle Richtungen zu erweitern, neue Kontinente magisch zu besiedeln, die Zukunft ihrer Helden auszuschmücken – und nun auch deren Vergangenheit. „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ heißt ein Schulbuch, das in der Zauberakademie Hogwarts Pflichtlektüre ist; als eine Art magizoologisches Lexikon für Fans veröffentlichte Rowling es wirklich, dann schrieb sie noch ein Drehbuch über die Abenteuer von dessen fiktivem Verfasser, Newt Scamander, in New York – der Film kam 2016 ins Kino.

Am Freitag startet nun dessen Fortsetzung „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ in den Kinos, fünf Teile sollen es insgesamt werden. Mit Nifflern (goldsüchtigen Wühltieren), Acromantulas (giftigen Riesenspinnen) und Grindelohs (kleinen Wasserdämonen) haben diese nur mehr am Rande zu tun. Dafür vermutlich mit europäischer Geschichte, dem Aufstieg von Rassenwahn – und vielleicht sogar mit Hitler.

Die Vermutung liegt jedenfalls nahe: Die Pentalogie wird, das hat Rowling verraten, im Erzähljahr 1945 enden – dem Jahr, in dem nicht nur der Zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft zu Ende gingen, sondern in dem in Rowlings magischer Parallelwelt auch der gute Zauberschulleiter Albus Dumbledore im Duell gegen den bösen Gellert Grindelwald siegte und damit die magische Gemeinschaft vom Fluch des Kriegs und Terrors befreite. Die Parallelen sind kein Zufall. Rowling zeichnet Grindelwald als charismatischen, in seinem Machthunger aber unerbittlichen Mann, der die (im Übrigen ethnisch höchst diverse) Zauberergemeinschaft als eine Art höhere Rasse betrachtet, die auch über die Muggelwelt herrschen sollte. Zu seinem Motto machte er sich „For the Greater Good“, der Schriftzug prangt – nicht unähnlich zu „Arbeit macht frei“ über den Eingängen der NS-Konzentrationslager – auf dem Tor zu seiner Festung Nurmengard, in der er Opponenten einsperrt und die, wie der neue Film enthüllt, in Österreich liegt.

Grindelwalds spektakuläre Flucht

Es wird spannend sein zu sehen, wie die politisch sendungsbewusste Rowling die magischen Gräuel mit deren realen Vorbildern verwebt – sie wird sich wohl hüten, einen Schurken mit Zauberstab zum Verursacher des Holocaust zu erklären. Beeinflussen sollen die beiden Kriege einander jedenfalls, stellte sie in Aussicht. Bis dahin ist allerdings noch Zeit. Der neue Film spielt 1927 und leistet vor allem Aufbauarbeit für einen Showdown, auf den wir noch sechs Jahre warten müssen. Die eindrucksvollste Szene ist die allererste, in der ein Hochsicherheitskonvoi aus einer fliegenden Kutsche, gezogen von Thestralen, diesen drahtigen, geflügelten schwarzen Pferden, eskortiert von Sicherheitsleuten auf Besen, von New York aus in den peitschenden Regen abhebt. Drinnen sitzt, streng bewacht, Grindelwald, den die amerikanischen Zaubereibehörden im letzten Film gefangen nehmen konnten. Seinen Transport nach Europa nutzt er, um spektakulär zu entkommen.

Das setzt eine Handlung in Gang, in der irgendwie jeder jeden sucht: Grindelwald will in Paris den jungen Credence, in dessen Zauberkräfte er große Hoffnungen steckt, in seine Dienste locken. Credence selbst, ein Zauberer, der von einer Hexen hassenden Adoptivmutter aufgezogen wurde, ist quasi auf Ahnenforschung. Die amerikanische Aurorin (eine Art Geheimagentin) Tina will ihn finden, bevor Grindelwald es tut – und der aufrichtige Newt Scamander (Eddie Redmayne), die offizielle Hauptfigur der Filmreihe, will wiederum Tinas Herz gewinnen und nebenbei Grindelwald einbremsen. Sein Auftraggeber: Dumbledore.

Jude Law spielt die hier noch junge Zaubererlegende mit gütigem, leicht schelmischem Blick, aber ohne die Schrulligkeit, die ihn als Greis ausmachen wird. Johnny Depp flößt als wasserstoffblonder Grindelwald mit ungleichen Augen und zerzaustem Hitlerjugend-Haarschnitt nicht allzu viel Furcht ein. Daneben lässt Regisseur David Yates zwecks Rechtfertigung des Filmtitels immer wieder eine neue Kreatur – etwa eine chinesische Riesenkatze mit flatterndem rosa Schweif – elegant durchs Bild wüten. Und Rowling füllt ein paar der Lücken, die sie in sieben Büchern gelassen hat, liefert neue Hogwarts-Szenen und so manche Wiederbegegnung mit alten Bekannten. Sie weiß genau, wonach ihre Fans dürsten: So schnell wird die Harry-Potter-Geschichte nicht enden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2018)

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