Wie flexibel soll und kann die Arbeitszeit sein?

An der WU: Professorin Stagl, Chefredakteur Nowak (als Moderator) und WKO-General Kopf.
An der WU: Professorin Stagl, Chefredakteur Nowak (als Moderator) und WKO-General Kopf.Stanislav Kogiku
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Über den Zwölf-Stunden-Tag und neue Arbeitszeitmodelle. Darüber wurde an der Wirtschaftsuniversität Wien eifrig diskutiert.

Wien. Wie nachhaltig ist das von der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossene Arbeitszeitgesetz, das unter gewissen Voraussetzungen den Zwölf-Stunden-Arbeitstag ermöglicht? Wird es in weiterer Folge auch den 13-Stunden- oder 14-Stunden-Tag geben? Denn in skandinavischen Ländern wie in Norwegen darf täglich bis zu 16 Stunden gearbeitet werden. Ist die Arbeitszeit in Österreich ungerecht verteilt?

Um diese und andere Fragen ging es am Dienstagabend bei „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“, dem Diskussionsformat von Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, Erste Bank und „Presse“. Für WU-Professorin Sigrid Stagl, Leiterin des Institute for Ecological Economics, ist das neue Arbeitszeitgesetz zu einseitig, weil es vor allem die Interessen der Unternehmen berücksichtigt. Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer, wies dies zurück. Denn das Gesetz lege fest, dass jeder Arbeitnehmer den Zwölf-Stunden-Tag ohne Angabe von Gründen ablehnen kann.

„Freiwillig ist freiwillig. Das ist ganz klar“, sagte Kopf. Die Freiwilligkeit müsse auch nicht näher erläutert werden, wie dies jetzt einige Juristen fordern. Es sei „kurios“, die Freiwilligkeit zu definieren. Einseitig sei nach Ansicht des Wirtschaftskammer-Generalsekretärs nur das Zustandekommen des Gesetzes gewesen, weil die Gewerkschaften nicht mitgearbeitet haben, was Kopf bedauert. Der Wirtschaftskammer-Generalsekretär bezeichnete die Aufregung um das Gesetz als „viel Lärm um nichts“. Die bislang aufgetauchten Fälle, in denen sich Unternehmen nicht an die Freiwilligkeit gehalten haben, seien medial hochgespielte Einzelfälle. Kopf präsentierte am Dienstagabend eine Umfrage der Wirtschaftskammer, wonach der Großteil der Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der neuen Regelung zufrieden sei.

Stagl: Es geht um Zeitsouveränität

Abgesehen vom Pro und Kontra zum Zwölf-Stunden-Tag ging es in der Diskussion auch um die Zukunft der Arbeitszeit. WU-Professorin Stagl sprach sich dafür aus, die Arbeitszeit gerechter zu verteilen. Hier spiele auch das Thema Gender eine Rolle. Denn in den vergangenen Jahren sei der Anteil der Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, besonders stark gestiegen. So hat sich die Teilzeitquote bei Frauen von 26 Prozent im Jahr 1994 auf aktuell 47,7 Prozent erhöht. Laut Stagl wollen viele teilzeitbeschäftigte Frauen mehr arbeiten. Doch dies sei nicht immer möglich, weil entsprechende Kinderbetreuungsangebote fehlten.

Zugleich äußern Menschen, die in Vollzeit tätig sind, in Umfragen den Wunsch, weniger zu arbeiten. Die WU-Professorin ist dafür, dass in Österreich verstärkt neue Arbeitszeitmodelle angewendet werden wie beispielsweise Arbeitszeitkonten. Stagl geht nicht davon aus, dass das neue Arbeitszeitgesetz zu einer gerechteren Verteilung der Arbeitszeit führen wird.

Besonders wichtig ist für die WU-Professorin die Zeitsouveränität. Stagl betonte ausdrücklich, dass sie nicht gegen flexiblere Arbeitszeiten sei. Doch die Flexibilität dürfe nicht einseitig von der Arbeitgeberseite angeordnet werden.

Wirtschaftskammer-Generalsekretär Kopf geht nicht davon aus, dass das neue Gesetz zu einer Erhöhung der Gesamtarbeitszeit führen wird. Denn der Trend gehe in Österreich schon seit Jahren in eine andere Richtung. Kopf verwies hier auf die Statistik Austria. Demnach sei die normale Arbeitszeit pro Woche von durchschnittlich 39,4 Stunden im Jahr 2005 auf 36,5 Stunden im Vorjahr gesunken.

Dies hänge, wie Kopf einräumt, mit der gestiegenen Teilzeitquote bei Frauen zusammen. Gleichzeitig sei die Anzahl der geleisteten Überstunden gesunken. Einig sind sich Kopf und Stagl: Um flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen, bedarf es mehr Kinderbetreuungseinrichtungen mit Öffnungszeiten, die sich nach den Bedürfnissen der Eltern richten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2018)

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