Wien wehrt sich gegen die Öffnung der Busspuren für E-Autos. Damit Türkis-Blau die Stadt nicht dazu zwingen kann, wird Rot-Grün einen Pilotversuch initiieren – um damit den Plan zu Fall zu bringen.
Wien. Es war einer der selten gewordenen Momente, in denen Spitzenpolitiker der rot-grünen Rathauskoalition gemeinsam vor die Kamera traten – und dabei auch noch (uneingeschränkt) einer Meinung waren: Am Donnerstag gingen SPÖ-Klubchef Josef Taucher und der grüne Energiesprecher, Christoph Chorherr, vor die Medien, um gemeinsam Wien gegen die türkis-blaue Bundesregierung zu verteidigen, wie es formuliert wurde. Denn er sei „stinksauer, dass die Bundesregierung permanent in allen Bereichen Wien schlechtmacht“, so Taucher, der deshalb (mit Chorherr) eine Leistungsbilanz im Bereich von Umwelt und erneuerbaren Energien vorlegte – die naturgemäß positiv (für Wien) ausfiel.
Wien gegen die Bundesregierung
Thema war auch die Forderung der türkis-blauen Bundesregierung, künftig Busspuren für E-Autos zu öffnen – wogegen sich Wien bisher vehement gewehrt hat. Hier ließ Taucher aufhorchen: Man komme der Bundesregierung ein wenig entgegen und werde in Wien eine Teststrecke dafür einrichten. Derzeit steht weder der Zeitrahmen noch Ort oder Details des Versuches fest. Es werde aber einen Test „im innerstädtischen Bereich“ geben, erklärte der rote Klubchef. Denn am Stadtrand sei ein derartiger Versuch sicherlich nicht sinnvoll.
Den Grund für das Entgegenkommen der Stadt Wien nannte Taucher beim Namen: Türkis-Blau hatte mit einer Änderung der Straßenverkehrsverordnung gedroht. Damit könnte die Bundesregierung Rot-Grün in Wien (trotz heftigen Widerstands) zwingen, Busspuren für Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb freizugeben. „Die Öffnung der Busspuren für Autos würde enorme Nachteile für den öffentlichen Verkehr bringen“, so Taucher: „Da sitzt ja wieder nur eine Person drin, und die Busspuren in der Stadt werden verstopft.“ Das Ziel sei schließlich weniger Individualverkehr in Wien. Nachsatz: Alle Experten würden außerdem erklären, dass die Öffnung der Busspur für E-Fahrzeuge keine sinnvolle Maßnahme sei: „Denn die Verkehrspolitik der Stadt ist es ja, den öffentlichen Verkehr zu fördern“ und den Autoverkehr zurückzudrängen.
Deshalb sollten nun mit wissenschaftlicher Begleitung die Auswirkungen untersucht werden, wenn eine Busspur für E-Fahrzeuge geöffnet wird. Wobei Taucher kein Hehl daraus machte, mit welchem Ergebnis er rechnet. Ein U-Bahn-Zug fasse rund 950 Personen, „man muss sich nur vorstellen, was das bedeuten würde, würden diese Menschen auf ein Auto umsteigen – egal, ob auf ein herkömmliches oder ein E-Auto“. Denn E-Mobilität sei natürlich nicht auf Pkw beschränkt, und Wien mit Straßenbahn und U-Bahn führend in der E-Mobilität, so Taucher.
Ruf nach mehr Geld
Das politische Ziel von Rot-Grün: Eine Teststrecke soll ein fundiertes Ergebnis auf wissenschaftlicher Basis bringen, das selbst die Bundesregierung nicht ignorieren kann. „Elektromobilität heißt ja nicht Pkw. Wien ist ja mit U-Bahn und Straßenbahnen in der Elektromobilität führend im Vergleich zu den anderen Bundesländern“, so Taucher und Chorherr, die von der Bundesregierung mehr Investitionen in den öffentlichen Verkehr (auch) in den anderen Bundesländern fordern.
Was, wenn der Pilotversuch allerdings ergibt, dass es zu keinen Problemen bei der Öffnung der Busspuren kommt? Dann werde man das so zu Kenntnis nehmen, hieß es.
Nebenbei erklärte Chorherr: Die Parkraumbewirtschaftung habe einen „harten Anreiz“ gebracht, innerhalb von Wien nicht mit dem Pkw zu fahren. „Beim Pendlerverkehr müssen wir uns aber noch etwas einfallen lassen. Welche Maßnahmen hier überlegt werden, blieb am Donnerstag allerdings noch offen. Allerdings ist bekannt, dass die Grünen für die Einführung einer Wiener Citymaut sind, was die SPÖ allerdings strikt ablehnt.
In Bezug auf das Thema Elektromobilität erklärten die Energiesprecher der beiden Parteien: Wien sei bereits „längst in der Energiezukunft angekommen“. Hier werde bereits jeder dritte Weg mittels Elektromobilität zurückgelegt (also mit Straßenbahnen und U-Bahnen). Beide präsentierten Grafiken, wonach der Autoverkehr in Wien sinkt und die Zahl der Fahrgäste in den öffentlichen Verkehrsmitteln steigt. Und: Seit Wien die 365-Euro-Jahreskarte für die Wiener Linien eingeführt hat, wurden (ab 2014) mehr Jahreskarten verkauft, als es Pkw gibt. Dazu sinkt laut diesen Daten der Bestand an Pkw in Wien am raschesten, während die Zahl der Autos in den anderen Landeshauptstädten seit 2005 steigt. Ausnahmen sind hier nur Innsbruck und Graz.
Zusätzlich ließen es sich Taucher und Chorherr nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die kompakte, stark verdichtete städtische Bauweise mit 20.000 kWh auch zum niedrigsten Pro-Kopf-Energieverbrauch im Vergleich zu den anderen Bundesländern führen würde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2018)