Neben dem britischen Parlament muss auch die Volksvertretung der EU dem
Vertragsentwurf zwischen Brüssel und London zustimmen. Die Reaktionen dort sind durchwegs positiv.
Wien/Straßburg. Während im britischen Parlament eine heftige Debatte über das zwischen London und Brüssel vereinbarte Austrittsabkommen geführt wurde (siehe Seite 1), war unter den EU-Abgeordneten in Straßburg vor allem Erleichterung über die vorläufige Einigung bemerkbar. EU-Chefunterhändler Michel Barnier war am gestrigen Donnerstag eigens in das Städtchen im Elsass gereist, um der europäischen Volksvertretung den Vertragsentwurf zu überreichen: Auch das Europaparlament muss das Papier – voraussichtlich im Februar, also knapp vor dem tatsächlichen Austritt Großbritanniens Ende März – absegnen. Dies gilt aber im Vergleich zur völlig offenen Abstimmung in London als reine Formsache: Parlamentspräsident Antonio Tajani zeigte sich mit dem Vertragsentwurf gestern jedenfalls „zufrieden“.
Auch Barnier sparte nicht mit Lob für die britische Seite: Die Verhandlungen seien in einem Klima des Vertrauens, der Transparenz und der Sorgfalt erfolgt – überraschende Worte angesichts der Tatsache, dass sich die Stimmung zwischen Brüssel und London während der monatelangen Gespräche zunehmend verschlechtert hatte und am Ende kaum noch jemand daran glaubte, dass eine Einigung zustande kommen kann. Für die EU-Spitzen war der Mittwochabend, als das Kabinett von Premierministerin Theresa May über den Vertragsentwurf abstimmte, deshalb auch ein besonders spannender Moment: Barnier weiß zu berichten, dass er sich zu diesem Zeitpunkt gerade im Büro von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aufgehalten habe, der ihm noch ohne Kenntnis des Ergebnisses seine volle Unterstützung zugesichert habe – ebenso wie Ratspräsident Donald Tusk gestern im Namen der EU-Mitgliedstaaten.
Resolution zu Vertragstext
Kommenden Dienstag will das Europaparlament damit beginnen, die Details des Textes zu studieren. Zu den wichtigsten Punkten der Bürgerrechte, der Finanzen und der Nordirland-Frage gab es keine Einwände vonseiten Tajanis. Das Europaparlament will den Text dennoch genau analysieren und wird in einer der nächsten Plenarsitzungen, wahrscheinlich im Dezember, eine Resolution hierzu verabschieden.
Von österreichischer Seite fielen die Reaktionen quer durch alle im EU-Parlament vertretenen Parteien wenn schon nicht gerade euphorisch, so doch positiv aus. Unter den gegebenen Umständen sei der Entwurf grundvernünftig, sagte Othmar Karas (ÖVP). Für Josef Weidenholzer (SPÖ) handelt es sich um eine Notlösung, die vorerst ein Chaos abwende. Die Grünen hoffen weiter darauf, dass es ein zweites Referendum in Großbritannien gibt – was May derzeit jedoch dezidiert ausschließt.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte sich bereits am Mittwochabend „sehr froh“ über das Ergebnis in London gezeigt. „Ich hoffe nun auch auf Zustimmung des britischen Parlaments“, schrieb Kurz optimistisch auf Twitter. (aga/ag.)