12-Stunden-Tag: „Propaganda wirkt“

12-Stunden-Tag: „Propaganda wirkt“
12-Stunden-Tag: „Propaganda wirkt“ÖGB
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Analyse. Die Österreicher fürchten plötzlich den 12-Stunden-Tag, obwohl sich für die wenigsten das Arbeitspensum geändert hat. Wirklich geschadet hat das Gesetz nur den Sozialpartnern.

Wien. Eine Köchin wird entlassen, weil sie sich weigert, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten. Ein Salzburger Steuerberater schickt ungefragt Musterverträge an Hoteliers, mit denen sie die neue, flexible Arbeitswelt ideal ausnützen können. Die Gewerkschaft schnappt sich die Lohnrunde der Metaller, die längst zwölf Stunden am Tag arbeiten dürfen, als Bühne, um den verhassten Zwölf-Stunden-Tag der Regierung zu torpedieren. Die Aufregung um die vermeintliche Ausbeutung der Österreicher ist groß, an Schreckgespenstern mangelt es nicht. Doch mit der Realität hat all das herzlich wenig zu tun.

Das ist zumindest das Ergebnis einer repräsentativen Market-Umfrage unter 1000 heimischen Arbeitnehmern, die im Auftrag der Wirtschaftskammer (WKO) durchgeführt wurde. 82 Prozent aller Befragten zeigten sich dabei zufrieden mit dem persönlichen Arbeitspensum. Der Großteil schätzt die verlängerten Wochenenden als Ausgleich für längere Schichten (73 Prozent), und zwei von drei geben an, dass ihre Wünsche bei der Arbeitszeiteinteilung immer oder meistens berücksichtigt werden.

„Die Propaganda wirkt“

Alles in Butter also? Nicht ganz: Denn direkt auf das neue Gesetz angesprochen, das die maximale tägliche Arbeitszeit auf zwölf statt bisher zehn Stunden erweitert, hat sich die Stimmung der Mitarbeiter gedreht. Waren im Vorjahr noch 58 Prozent der Befragten von der flexibleren Zeiteinteilung begeistert, zieht heute die Mehrheit (54 Prozent) ein negatives Fazit. Und das, obwohl nur vier Prozent angeben, dass sich ihre persönliche Arbeitszeit überhaupt geändert hat und nur sieben Prozent aller Unternehmer, die gesondert befragt wurden, Derartiges planen.

„Die Propaganda wirkt“, sagt WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf. Auch die Kammer habe „keinerlei Verständnis für schwarze Schafe“. Doch die Gewerkschaft „skandalisiert Einzelfälle“ und fahre eine „irreführende Kampagne“. Tatsächlich sinkt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Österreicher seit Jahren (siehe Grafik) jedes Jahr um eine Viertelstunde. Die Gründe lauten: mehr Teilzeit, mehr Beschäftigte und weniger Überstunden.

Von 2016 auf 2017 fiel die Zahl der hierzulande geleisteten Überstunden von 367 auf 250 Millionen. Das gilt vor allem auch in Branchen, die das Gesetz bereits über Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen vorweggenommen haben.

Heikles Geschenk für Kammer

Die Tatsache, dass die Sozialpartner keine Einigung zu flexiblen Arbeitszeiten geschafft haben, falle der Wirtschaftskammer nun auf den Kopf, meinen Insider. Sie sei nun mit heiklen „Geschenken“ wie dem Zwölf-Stunden-Tag von der Regierung konfrontiert. Lehne sie ab, seien die Mitgliedsbetriebe auf den Barrikaden. Nehme sie die Geschenke allzu freudig an, verspiele sich die Kammer die Gesprächsgrundlage mit den Arbeitnehmervertretern.

Gut beobachten lässt sich das an den Lohnverhandlungen der Metallindustrie, die am Donnerstag in die sechste Runde gingen. Die Gewerkschaft hat Forderungen auf den Tisch gelegt, die laut WKO zwanzig Prozent Mehrkosten für die Betriebe bedeuten würden und droht mit weiteren Streiks ab Montag. Jeder Streiktag dieser Industrien kostet die Volkswirtschaft 50 bis 100 Millionen Euro. Dass Kritik an der Regierung in die Lohnrunde getragen werde, sei „neu, ungewöhnlich und höchst problematisch“, kritisiert Karlheinz Kopf. In der Sache bleibt er optimistisch.

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