Flixbus überrollte Europas Fernbusmarkt – ohne einen einzigen Bus. Jetzt soll der Trick auch mit Zügen und in den USA gelingen. Ein Besuch bei Gründer André Schwämmlein.
Vom Fenster der Münchner Flixbus-Zentrale können die Mitarbeiter beobachten, wie einige hundert Meter weiter ihr neuer Arbeitsplatz in die Höhe wächst. Er wird noch ein paar Stockwerke höher als das aktuelle Quartier. Die Rutsche vom fünften in den vierten Stock können sie aus Statikgründen leider nicht übersiedeln. Aber der Wuzzler, die Bussessel und der Rest der grasgrünen Einrichtung, die zu einem zünftigen bayrischen Start-up gehören, kommen mit.
Start-up. Als solches bezeichnet sich der Fernbusriese nach wie vor. Dagegen spricht zwar, dass er auf mehr als eine Milliarde Euro Firmenwert geschätzt wird, täglich 350.000 Verbindungen zwischen 2000 europäischen und amerikanischen Städten fährt und die allermeisten Konkurrenten in einem harten Preiskampf seit 2013 vom Markt gefegt hat. Aber zumindest die Atmosphäre hier im Südwesten Münchens ist Start-up-tauglich. Junge Menschen sitzen in hellen Glaskästen, plaudern, tippen auf ihren Laptops. Selbst der Wuzzler ist in Verwendung. 15 Flaggen hängen vor 15 Besprechungsräumen. Die 14 Länder, die später erobert wurden, gehen leer aus. Flixbus wächst schnell.
Im Besprechungsraum Belgien sitzt André Schwämmlein. 37 Jahre alt, rotbraunes Haar, blauer Pulli zu herbstroter Hose. Wieso die Farbvielfalt in den Busbahnhöfen und auf den Autobahnen Europas seiner grasgrünen Flotte weichen musste? „Wir sind nie ein Verkehrsunternehmen gewesen, das war unser Vorteil“, sagt er. „Wir haben überlegt: Was wollen die Kunden haben? Und wir haben mit der Zeit mithilfe von Daten und unseren Technologien sehr viel mehr vom Markt verstanden als die anderen.“
Die Rechnung, auf die er und seine Mitgründer und Jugendfreunde Jochen Engert und Daniel Krauss bauten, ist einfach: Je intelligenter ihr Algorithmus im Hintergrund arbeitet – je konkreter er Staus, Wetter und Fahrgastaufkommen an die Tagespreise anpasst –, desto mehr verdienen alle Beteiligten. Das sind neben Flixbus 300 Buspartner mit 7000 Fahrern. Denn die Münchner haben trotz ihres Namens selbst nur einen einzigen Bus – aus rechtlichen Gründen. Und der steht ungenützt in der Garage. Dafür haben sie ein hochleistungsfähiges IT-System.
Charmeoffensive. Das Geschäft funktioniert wie beim Taxivermittler Uber: Flixbus lässt andere fahren und unterstützt sie mit Vertrieb, Marketing und Technologie. Brave, mittelständische Busfirmen wie Blaguss oder Dr. Richard bekamen außen grüne Folie, innen Steckdosen und Internet und vor allem ein junges, cooles Auftreten verpasst. Flixbus geht so weit zu sagen, dass es das Busfahren in Europa „demokratisiert“ und eine attraktive, kostengünstige Alternative zu Bahn und Flugzeug gibt. „Du hättest vor sechs Jahren in Wien und München nicht den Fernbus genommen. Da hast du an Gastarbeiter und schlechte Qualität gedacht, und dass im Bus geraucht wird“, sagt Schwämmlein.