„Du bist ein Unvergleichlicher“: Die Grundhaltung auf der Bühne

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Nestroy. Als beste Schauspieler werden Caroline Peters und Peter Simonischek prämiert. Peter Handke fordert eine Rückbesinnung auf Sprache und Rhythmus.

Der Auftritt ist – durchaus bewusst – dick aufgetragen, verfehlt seine Wirkung aber nicht im Geringsten und sorgt für den ersten Gänsehautmoment des Abends. „You don't own me“ lautet die Botschaft an jene Männer, die hierarchische Strukturen und ihre dadurch bedingte Macht als Waffe gegen Frauen einsetzen, um sie mit Kalkül unter Druck zu setzen und in Verlegenheit (oder noch unangenehmere Situationen) zu bringen.

Vorgetragen wird das Lied von gleich sechs Schauspielerinnen – als Solidaritätsbekundung für alle, die im Zuge der #MeToo-Debatte „den Mut aufgebracht haben, aufzustehen“, wie es Moderatorin Maria Happel formuliert. Die Darbietung ist ernst, dramatisch und provokant. Gewissermaßen eine unbewusste Hommage an das, wofür wenig später Peter Handke plädiert, der bei der 19. Nestroy-Gala am Samstagabend für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird. Er fordert nämlich die Rückbesinnung des Theaters auf die Sprache, den Rhythmus, die Konfrontation – also eine Reduktion des Spiels auf der Bühne, anstatt vermehrt Stilelemente des Kinos und der Musik einfließen zu lassen.
Überreicht wird Handke der Nestroy von Klaus Maria Brandauer, der seine Laudatio mit Handkes „Satzbiografie“ beginnt und mit den Sätzen schließt: „Du bist ein Unvergleichlicher. Und manchmal sind deine Texte einfach zu groß für das Theater. Aber von Dauer.“ Handke, der am 6. Dezember seinen 76. Geburtstag feiert, war 2011 für sein Stück „Immer noch Sturm“ bereits mit dem Nestroy-Autorenpreis ausgezeichnet worden. „Ich habe was zu geben. Das war immer meine Grundhaltung im Leben“, sagt der in Paris lebende Dichter zum Abschluss seiner launigen Rede.

Peters und Simonischek

Den ersten Preis des im Bühnenbild der Barockoper „Teseo“ mit Live-Bühnenorchester stattfindenden Galaabends im Theater an der Wien, der neben Happel von Viktor Gernot und Peter Fässlacher moderiert wird, nimmt Caroline Peters entgegen. Das deutsche Burgtheater-Ensemblemitglied erhält den Nestroy als beste Schauspielerin für ihre Rolle in Simon Stones „Hotel Strindberg“. Bei den Männern setzt sich in dieser Kategorie Peter Simonischek für seinen Patriarchen Afzal in der Akademietheater-Aufführung „The Who and the What“ von Ayad Akhtar durch. Er kann seine erste Trophäe nicht persönlich entgegennehmen, da er wegen einer kurzfristigen Vorstellungsänderung doch auf der Bühne stehen muss. Sein Sohn Benedikt übernimmt das für ihn.

Der Nestroy für die beste Nebenrolle geht an die deutsche Schauspielerin Dörte Lyssewski. Sie wird für ihre Darstellung der Annemarie Krause in der Akademietheater-Produktion „Vor Sonnenaufgang“ ausgezeichnet. Zur besten Off-Produktion kürt die Jury Sara Ostertags Inszenierung des Stücks „Muttersprache Mameloschn“ von Sasha Marianna Salzmann, in dem es um die unterschiedlichen Lebensentwürfe von drei Frauen geht.
Ein Double landet der deutsche Regisseur Ulrich Rasche. Als beste deutschsprachige Aufführung wird seine spektakuläre Inszenierung von „Die Perser“ des Aischylos ausgezeichnet. Das sich auf zwei rotierenden Scheiben entfaltende Antikriegsdrama hatte bei den Salzburger Festspielen Premiere und übersiedelte anschließend an das Schauspiel Frankfurt. Bereits im Vorjahr war Rasches Münchner „Räuber“-Inszenierung in dieser Kategorie gewürdigt worden.

„Nächste Woche Donnerstag“

Zu den wenigen Gewinnern, die im Vorfeld über ihre Auszeichnung benachrichtigt wurden, gehört Autorenpreisträger Ferdinand Schmalz. Er nimmt die Trophäe für sein Stück „jedermann (stirbt)“ entgegen und verliest einen Text, den er geschrieben habe, als zum Nationalfeiertag vor dem Burgtheater die Panzer aufgefahren waren, während im Haus sein Stück gespielt wurde.

Es werde wieder an Festungen gebaut, vermeintlich zu unserer Sicherheit, „obwohl man meinen könnte, dass diejenigen, die heute unsere Sicherheit gefährden, in den Ministerien sitzen“. Er beendet seine Rede mit einem Verweis auf die wieder wöchentlich stattfindenden Protestdemos: „Nächste Woche ist wieder Donnerstag.“ Nicht die einzige regierungskritische Bemerkung an diesem Abend, aber die – für das Theater untypisch – am wenigsten subtile.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2018)

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