Oberösterreich ist in der Republik Nettozahler, wenn's um die Steuerleistung geht

Interview LH Thomas Stelzer (VP)
Interview LH Thomas Stelzer (VP)(c) Harald Dostal (Harald Dostal)
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Interview. Landeshauptmann Thomas Stelzer über die Stärke der oberösterreichischen Wirtschaft, die gesetzlich auferlegte Schuldenbremse und Oberösterreichs Position als Nettozahler.

Herr Landeshauptmann, spricht man von Oberösterreichs Wirtschaft, hört man Industrieland und Exportland. Gibt's nicht viel mehr Bereiche, in denen das Land noch bestens aufgestellt ist?

Thomas Stelzer: Es gibt eine riesige Breite! Der große Vorteil von Oberösterreich ist, dass das Thema Wirtschaftskraft wirklich quer durch die Regionen verteilt und nicht zentriert ist. Und wir sind auch ein Land der vielen Start-ups, wo wir in viele neue Bereiche hineingehen – wie in die Medizintechnik. Aber Oberösterreich hat auch nach wie vor eine starke Landwirtschaft. Es gibt eine sehr breite Palette. Darum haben wir auch so viele Beschäftigte wie überhaupt noch nie im Land. Wir haben im Vorjahr mit 4690 Unternehmensgründungen die meisten unserer Geschichte gehabt. Wir sind bei manchen Dingen weit vorne: Künstliche Intelligenz ist das eine, IT-Security das andere. Und wir haben eine moderne industrielle Produktion. Oberösterreich hatte im Vorjahr die meisten Patentanmeldungen im Bundesländervergleich – genau 610 waren es.

Das Thema KMU ist in Ihren Ausführungen nicht vorgekommen?

Weil die da alle drinnen sind. Das Tolle ist ja: Wir haben auch familiengeführte Industriebetriebe – und nicht alle haben zigtausende Mitarbeiter. Sondern viele sind Mittlere, sogenannte KMU. Die sind quasi unsere DNA, weil sie sind das stabile Gerüst des gesamten Standorts.

Was tut Oberösterreich, um seine KMU zu stärken?

Gott sei Dank blüht die KMU-Szene. Aber die KMU brauchen natürlich öffentliche Unterstützung. Begonnen von der Infrastruktur, wo insbesondere das Breitband eine immer größere Rolle spielt, bis hin zum großen Thema: Wie können wir junge Leute, neue Fachkräfte, in die KMU bringen? Gerade die Fachkräfte sind Mangelware – und das wird auch so bleiben. Da versuchen wir zu unterstützen, mit Imagebildung, Aufmerksammachen und einigem anderen mehr.

Mit Imagebildung allein ist es wahrscheinlich nicht getan. Der Wettbewerb um die besten Leute ist gigantisch. Wie schafft es Oberösterreich, dem eklatanten Fachkräftemangel entgegenzuwirken?

Das eine, was uns besser gelingen muss, ist, die Leute in jene Berufe zu bringen, die benötigt werden, oder sie dazu zu motivieren, eine Ausbildung zu machen. Da haben wir sicher noch Potenzial. Aber die ganz große Stellschraube, die wir als Standort Oberösterreich dringend brauchen, ist der mit klaren Bedingungen geregelte Zuzug, den wir regional steuern können.

Der Zuzug ist ein Riesenthema für ganz Österreich. Wie sich bei der Migration herausgestellt hat, sind unter den mehr als 100.000 Zuzüglern kaum Fachkräfte. Warum funktioniert es nicht, die Menschen mit den benötigten Fähigkeiten ins Land zu locken?

Weil man eben nicht vermischen darf: Das eine ist das Thema Flucht und Asyl. Das andere ist eine geregelte und gesteuerte Zuzugspolitik. Beim Thema des geregelten Zuzugs hat Österreich bisher nicht gut agiert. Da sind wir zu schwerfällig. Die bisherige Regelung der Rot-Weiß-Rot-Karte passt nicht zur Dimension, die wir brauchen würden. Wo ich Ihnen aber recht gebe: Bei vielen, die aus Fluchtgründen bei uns sind, muss man zuerst viel investieren. Begonnen beim Spracherwerb bis hin zu einem Fachkräftemonitor, der genau die Zahl erhebt – wie viel fehlt und in welchen Bereichen. Nur ist das Investment jetzt schon zu wenig, und der Mangel wird immer größer.

Wie viele Fachkräfte fehlen denn?

Der Fachkräftemonitor wird jährlich aktualisiert. 2018 fehlen uns in Oberösterreich 18.000 Fachkräfte.

Es mangelt auch bei der Schulbildung, beklagen viele Unternehmer. Man hat das Gefühl, dass nach neun Schuljahren oft nicht viel Substanz da ist . . .

Es muss nach der Pflichtschule ein verlässlicher Grundsockel in den Grundfertigkeiten da sein. Es geht darum, wo können wir ansetzen, damit wir in so einem Flächenbundesland wie Oberösterreich regionale Dichte an Schulangebot halten und gestalten? Das Zweite ist, dass wir die Schule nicht mit vielen Zusatzaufgaben überfrachten. Derzeit wird alles, was der Gesellschaft an Themen wichtig ist, in die Schule hineingegeben, von der Ernährung bis zur Bewegung. Aber man muss vielmehr in den wichtigen Grundjahren auf die Grundfertigkeiten fokussieren. Dazu gehört heute, dass wir auch das Thema Coding, Umgang mit der Digitalisierung in die Grundschule hineinbringen müssen. Nicht in dem Sinne, dass wir ein neues Schulfach dafür brauchen – aber so wie das ABC ist auch das WWW eine Grundfertigkeit. Das unterstützen wir infrastrukturell, aber auch in der Lehrerfortbildung und –ausbildung. Denn es geht nur über die Lehrer.

Wodurch zeichnet sich der Wirtschaftsstandort Oberösterreich aus?

Durch die Mitarbeiterschaft, durch die Leute, die wir anbieten können. Durch die Qualifikation und durch die Einsatzbereitschaft. Dann ist es unsere Lage und dass wir den engen Konnex zwischen Bildung, Hochschullandschaft und der Wirtschaft haben. Und was mir immer mehr internationale Firmenvertreter sagen: In diesem Kampf um die qualifizierten Arbeitskräfte ist das Thema: Wo bin ich da, wenn ich zu dieser Firma gehe, wie lebt man da, wie ist die Lebensqualität? Das ist für unser Land ein sehr starkes Asset und Pro-Argument.


Wie schaut es mit der Attraktivität für Expats aus? Da schafft die Bundesregierung kaum Anreize, damit ausländische Topmanager und Führungskräfte kommen.

Was Sie ansprechen, ist ein Thema. Nachdem die Bundesregierung einige Reformschritte im Steuerwesen vorhat, werden wir das natürlich miteinander besprechen. Aber es liegt nicht nur daran. Ganz oft spielt eine Rolle, wie geht es meiner Familie dort? Gibt es ein internationales Schulangebot? Das ist auch ein Thema, bei dem wir besser werden müssen. Und es ist massiv die Lebensqualität: Was habe ich für ein Angebot an Kultur-, Natur- und Freizeitmöglichkeiten? Das ist ein Riesenvorteil, den wir noch gar nicht genug verkaufen.

Zur Standortpolitik: Wo muss Oberösterreich besser werden? Wo liegen die Herausforderungen?

Wir haben infrastrukturell die Herausforderung. Wenn ich will, dass auch in den Regionen Unternehmen erweitern und sich ansiedeln, dann muss die klassische Infrastruktur passen – das sind die Straße und der öffentliche Verkehr. Da gibt es immer etwas zu tun. Das andere ist das Thema Breitband, das uns enorm fordert und wo wir aus selbst einen Investitionsschwerpunkt im Land setzen – mit 100 Millionen Euro. Weil wir da einfach zu langsam unterwegs waren und Breitband heutzutage ein harter Standortfaktor geworden ist. Wenn das nicht funktioniert und das Tempo nicht da ist, wird dort nicht mehr investiert. Aber die Entwicklung ermutigt uns sehr, weil es erfreulich ist, dass immer wieder große Investitionen überall in den Regionen stattfinden.

Oberösterreich hat ein gutes Autobahnnetz, eine leistungsfähige Westbahnstrecke und funktionierende Häfen. Aber der Flughafen Linz-Hörsching wird dem starken Wirtschaftsstandort nicht gerecht.

Das Unternehmen Flughafen ist wirtschaftlich erfolgreich, weil wir im Frachtgeschäft sehr gut unterwegs sind. Im Passagierverkehr haben wir Luft nach oben. Wir liegen zwar eng an anderen attraktiven Flughäfen. Nach Wien ist jetzt auch die Zuganbindung sehr attraktiv geschaffen worden. Aber es geht um die Frage: Kann man ausschließlich den Hub Frankfurt bedienen oder gibt es eine Vision, dass man auch mit anderen Linien ins Geschäft kommt? Da sind wir gerade in Gesprächen und Verhandlungen.

Heißt das, die Aufwertung des Airports ist eine wichtige Baustelle?

Ein so moderner Industriestandort braucht eine Flughafenanbindung, das ist unbestritten. Man muss nur realistisch sehen, was wird gebraucht? Und das sind die Anbindungen an internationale Hubs. Da sind wir jetzt sehr eindimensional Richtung Frankfurt unterwegs. Das möchten wir gern ausweiten.

Oberösterreichs Wirtschaft ist für rund 25 Prozent der heimischen Exporte verantwortlich und hat fürs Weiterwachsen viele Anliegen. Wie laut ist Oberösterreichs Stimme in Wien vertreten? Sie sind zwar Bundesparteiobmann-Stellvertreter, aber der neuen Bundesregierung gehört kein Oberösterreicher an.

Ich sehe als eine meiner großen Aufgaben für unser Bundesland, lautstark und mit aller Energie zu kämpfen. Und das mit einem sehr schlagenden Argument: Oberösterreich ist in der Republik Nettozahler, wenn ich das Steueraufkommen anschaue. Nicht ganz 45 Prozent der Steuerleistung, die Oberösterreich aufbringt, kommt wieder ins Bundesland zurück. Daher ist es eine einfache Rechnung: Alles, was Oberösterreich stärkt, stärkt auch den Bund. Das ist mein Hauptzugang. Wir verschaffen uns schon Gehör und wir wissen auch, welche Argumente es dazu braucht.

Die Wirtschaft brummt. Wie schaut es da mit der Schulden- und Sparpolitik des Landes aus?

Dazu habe ich einen klaren Zugang: Ich will Chancen statt Schulden schaffen. Wir haben 2018 in Oberösterreich eine gesetzliche Schuldenbremse eingeführt. Das heißt nichts anderes, als dass wir nicht mehr ausgeben dürfen als wir einnehmen. Dazu hat jeder Bereich etwas beigetragen. Damit schaffen wir finanzielle Spielräume für wichtige Zukunftsinvestitionen, zum Beispiel für die Breitband-Offensive im ländlichen Raum, für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, im Bereich der Sicherheit, aber auch im Sozialbereich.

Wie hoch ist der oberösterreichische Schuldenberg?

Der Gesamtschuldenstand im Jahr 2018 beträgt 3,182 Milliarden Euro. Damit hat Oberösterreich den drittniedrigsten Schuldenstand pro Einwohner im Bundesländervergleich.

Und wie geht's weiter?

Wir haben vor einigen Tagen den Landeshaushalt für 2019 präsentiert. Viele haben den neuen Weg in der Finanzpolitik vor einem Jahr als einmaligen Erfolg betrachtet. Manche haben es sogar als Eintagsfliege bezeichnet. Aber wir haben bewiesen, dass wir die Trendwende beim Haushalt geschafft haben. Zum zweiten Mal in zwei Jahren bauen wir Schulden ab, 2019 werden wir 90 Millionen Euro Schulden zurückzahlen. Andere Länder reden davon, keine Schulden mehr zu machen. Wir in Oberösterreich reden nicht, wir handeln.

Zur Person:

Thomas Stelzer (51) ist seit 6. April 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich. In der Politik ist der studierte Jurist bereits seit 1991 – anfangs als Linzer Gemeinderat, ab 1997 als Landtagsabgeordneter. Später wurde er Klubobmann sowie Geschäftsführer der ÖVP Oberösterreich, bis er 2015 Landeshauptmann-Stellvertreter wurde und danach von Josef Pühringer das Amt des Landeshauptmanns übernahm. Stelzer ist als Chef der Landesregierung auch für die Agenden Finanzen, Kultur, Personal sowie Jugendbetreuung und -förderung zuständig.

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