Dem Kurden-Politiker wird in der Türkei Terror-Propaganda zur Last gelegt. Das EGMR in Straßburg ordnet nun seine Freilassung an. Der türkische Präsident Erdogan sagte, das Urteil sei "nicht bindend".
Das Europäische Gericht für Menschenrechte hat der Beschwerde des inhaftierten türkischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş gegen seine Haft stattgegeben. Die Untersuchungshaft des früheren Vorsitzenden der prokurdischen Demokratische Partei der Völker (HDP) sei ein "unrechtmäßiger Eingriff in die freie Meinungsäußerung des Volkes", urteilte das Gericht am Dienstag in Straßburg und forderte die türkischen Behörden auf, die Untersuchungshaft umgehend zu beenden.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ließ in einer ersten Reaktion wissen, er fühle sich nicht an die Entscheidung der Richter gebunden. "Die Urteile des EGMR sind nicht bindend für uns", erklärte Erdogan. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu zitierte ihn weiter mit den Worten: "Wir machen einen Gegenzug und beenden die Sache." Allerdings war unklar, was Erdogan damit meinte. Die französische Nachrichtenagentur AFP übersetzte seine Äußerung mit: "Wir werden zurückschlagen und einen Schlusspunkt hinter diese Angelegenheit setzen".
Seit 2016 in Untersuchungshaft
Ein Gericht in der Türkei hatte den Politiker für schuldig befunden, Terrorpropaganda betrieben zu haben. Demirtaş sitzt seit November 2016 in Untersuchungshaft. Dabei geht es offiziell um eine Rede, die er 2013 gehalten hatte, als die Regierung in Ankara Friedensverhandlungen geführt hatte.
Der charismatische Kurdenpolitiker trat für die HDP bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Juni an, obwohl er im Gefängnis war. Bei der Präsidentenwahl im August 2014 war ihm ein Achtungserfolg gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan gelungen, und im Juni 2015 hatte der 45-Jährige seine HDP erstmals ins Parlament geführt. Dies kostete die AKP die Mehrheit und brachte Demirtaş die bleibende Feindschaft Erdogans ein.
Im November 2016 wurden Demirtaş und andere Abgeordnete unter dem Vorwurf festgenommen, der verbotenen PKK-Guerilla nahezustehen. Heute ist die HDP durch die Inhaftierung tausender Funktionäre und Mitglieder geschwächt und politisch marginalisiert. Die AKP diffamiert die prokurdische Partei regelmäßig als Terrorunterstützer, während andere Oppositionsparteien die Kooperation scheuen.
(APA)