Ganz großes Kino: Das perfekte Fluchtauto

(c) Juergen Skarwan
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Selber schuld, wer sich mit Lieutenant Bullit anlegt.

San Francisco, 1968. Lieutenant Frank Bullit droht ernsthaft seine Coolness zu verlieren, da sie ihm einen Kronzeugen unter der Hand gemeuchelt haben. So etwas macht man nicht mit Bullit, da geht es auch um die Ehre, und es dauert nicht lang, bis im Rückspiegel des Dodge Charger – an Bord zwei Profikiller – Bullits Mustang auftaucht, ein Highland-grüner 390er GT Fastback. Was sich nun auf zehn Minuten und dreiundfünfzig Sekunden Länge entfaltet, ist eine epochale Verfolgungsjagd durch Frisco und Umland, an deren Ende nur einer aus dem Auto steigt. Die anderen zwei nehmen die Ausfahrt zur Feuerbestattung. Das ist im Wesentlichen der Plot des Films; dass „Bullit“ so ein Erfolg wurde, liegt also weniger an den geschliffenen Dialogen („Frank, wir müssen alle Kompromisse machen.“ – „Bullshit.“) als am harten, bis dahin kaum gesehenen Realismus der Fahraction. Etwas Trivia dazu? Steve McQueen fuhr einige der Szenen selbst, aber nicht alle. Das schön räudige Zwischengas ist eingespielt und stammt vom Rennwagen Ford GT. Die viele Schaltarbeit, die McQueen mit Hingabe verrichtet, wäre mit nur vier Gängen nicht notwendig gewesen.

Zwei Mustang wurden für den Dreh verwendet, einer überlebte und gelangte nach Jahrzehnten in die Hände von Ford, die ihn punktgenau vor dem 50-Jahre-Jubiläum des Films auf die Bühne hievten. Freilich nicht, ohne den Buddy aus der Neuzeit danebenzustellen, den im Gegensatz zum Filmauto erwerbbaren Mustang Bullit – das nach unserer Ansicht gültige Muscle Car dieser Tage. Wenn man bedenkt, wie nachlässig Ford mit dem großen Namen in der Vergangenheit zuweilen umgegangen ist – man schaue sich die Schindmähren der 80er und 90er an –, dann empfindet man den Bullit als richtiges Liebesnest für Fans und Verehrer großer amerikanischer Achtzylinder.

»Es sind nicht die Dialoge, die „Bullit“ zum Kultfilm machten.«



Um die Schinderei des Drehs zu überstehen, wurde der 68er-Mustang am Fahrwerk verstärkt und erhielt ein Motortuning, um dem Charger im Nacken bleiben zu können. Vom Werk aus hatte
der 6,4-Liter-V8 325 PS. Im Bullit spendiert Ford zehn Extra-PS zum normalen V8, macht 460 PS geradeaus. Der Fünfliter ist ein ehrlicher Zupacker, der die Drehzahl nicht scheut und erst bei 7500 Touren ins Rote langt. Die Vierfach-Auspuffanlage klingt wie Hölle und ist insofern fürs detektivische Gewerbe wenig geeignet: Wenn sich der Bullit beim Kaltstart zum Dienst meldet, wissen im Häuserblock alle Bescheid. Es ist eine lohnende Aufgabe, die Power per Handschaltung an die Hinterachse zu vermitteln, die Hand ruht auf einer Billardkugel, und diesmal drehen sich sechs Gänge im Getriebe. Auch beim Fahrwerk kann man vergessen, was früher aus den USA so dargeboten wurde. Das Lenkrad ist groß und zielgenau, recht passend das Fadenkreuz in der Nabe, und vor der Kurve wird tatsächlich eingelenkt und nicht eingeknickt. Für sportliche Ambitionen empfehlen sich das MagnaRide-Fahrwerk mit verstellbaren Dämpfern und Sportsitze von Recaro, die einen straff, aber noch Cruising-fähig, in Position halten. Sonst keine Extras!



Für die Nebenrolle ließen wir etwas auffahren, das wie der größtmögliche Kontrast wirkt: deutsche Mittelmotorsportflunder mit italienischen Wurzeln, in Geldwert fast dreimal der Mustang. Doch im Audi R8 wütet ebenfalls einer der letzten seiner Art: ein großer Saugmotor, wie ihn die deutschen Hersteller mit Downsizing, Turbo und, wie zur Verhöhnung, Soundgenerator reihenweise verraten haben. Der Rückbau auf Heckantrieb ist ein dynamischer Gewinn. Wirklich vergleichbar sind die beiden Motoren natürlich nicht, das müssen sie auch nicht sein. Der 5,2 Liter große Zehnzylinder des R8 entfesselt auf Nachfrage am Gaspedal vollkommen unvermittelt ein Leistungsinferno, während der V8 einmal klanggewaltig seinen Drehmomentteppich ausrollt, bevor es – reichlich Auslauf vorausgesetzt – an die Leistungsspitze geht. Die meiste Zeit über blubbert man freilich mit erhöhtem Standgas durch die Gegend (unerwartete Gemeinsamkeit: Mustang und R8 werden von B&O superb beschallt). Während man im Audi stets ein wenig das Gefühl hat, schmerzhaft unter den Möglichkeiten zu bleiben, weil nun einmal keine Rennstrecke zur Hand ist, streichelt einem der Mustang das Ego, wenn man ihn nur auf der Straße geparkt sieht. Er holt das Beste heraus aus der Vorstellung, wie das gewesen sein muss, damals in den Sixties, sagen wir an der Westküste, als einem Klimaveränderungen allenfalls auf eine Weise zusetzten, gegen die man sich mit einem Trenchcoat wappnen konnte wie Steve McQueen im Film. Als Vorgeschmack mag man sich schnell auf YouTube nach Frisco ins Jahr der Liebe beamen – und feststellen: Charger gegen Mustang, das muss ja früher oder später an der Tankstelle enden.

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