Macron wirbt um ausländisches Geld

Seit Samstag protestieren die „gilets jaunes“ quer durch Frankreich gegen höhere Spritpreise – und gegen Präsident Macron.
Seit Samstag protestieren die „gilets jaunes“ quer durch Frankreich gegen höhere Spritpreise – und gegen Präsident Macron. (c) APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU (CHARLY TRIBALLEAU)
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Während auf Frankreichs Straßen protestiert wird, startet das Land eine Charmeoffensive unter ausländischen Unternehmern – auch in Österreich. Die Reformen kommen an.

Wien. Die Franzosen machen ihrem Ruf alle Ehre: Seit Samstag protestieren Tausende verärgerte Bürger quer durchs Land, blockieren Straßen, legen den Verkehr lahm. Der Aufstand richtet sich gegen steigende Spritpreise, zum Aushängeschild der Aufständischen wurden ihre Warnwesten – die „gilets jaunes“ (gelbe Westen). Sie fordern eine Rücknahme der Steuererhöhung auf Benzin – und den Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron. Während Macron in den Umfragen schwächelt, macht er sich mit seinem ehrgeizigen Reformprogramm bei den Wirtschaftstreibenden beliebt. Frankreichs Botschafter in Wien, François Saint-Paul, versichert: Die Proteste stellen „die Orientierung der Regierung nicht infrage“.

Am 22. Jänner findet, prunkvoll im Schloss von Versailles, ein internationaler Wirtschaftsgipfel statt, mit Polit- und Wirtschaftsprominenz von Macron abwärts. Die 140 geladenen internationalen Konzerne sollen in den nächsten fünf Jahren drei Mrd. Euro in Frankreich investieren und 2200 neue Jobs schaffen. Zum Auftakt hält Frankreich in 40 Ländern eine Charmeoffensive ab – am gestrigen Donnerstag waren prominente österreichische Wirtschaftsvertreter in die Botschaft in Wien geladen. Und da zeigte sich: Macron, der bei seinem Volk zunehmend in Ungnade fällt, kommt bei ausländischen Unternehmern ziemlich gut an.

Als erste Baustelle hat sich der Präsident voriges Jahr das Arbeitsrecht vorgeknöpft. Kündigungen können jetzt nur noch ein Jahr lang angefochten werden (statt bisher zwei). Internationale Firmen können Arbeitnehmer leichter entlassen, wenn sie in wirtschaftliche Nöte geraten. „Manchmal muss man eben jemanden kündigen. Früher landeten die meisten Fälle beim Sozialgericht“, sagt Christoph Salzer vom österreichischen Immobilienentwickler Warimpex, der in Frankreich mehrere große Hotels betreibt, darunter zwei im Disneyland Paris. Kündigungsentschädigungen sind jetzt mit 20 Monatsgehältern gedeckelt. Man könne sich jetzt direkt mit den Arbeitnehmern einigen, die das Unternehmen verlassen, sagt Salzer. „Die Arbeitskonflikte haben massiv abgenommen. Das nützt beiden Seiten.“ Laut offiziellen Angaben ist die Zahl der Streitfälle allein 2017 um 15 Prozent gesunken.

Neun Prozent Arbeitslosigkeit

Das führe auch zu einer höheren Loyalität der Mitarbeiter zum Unternehmen, sagt Salzer. Wegen des strikten Arbeitsrechts, das aus einem unbefristeten Dienstvertrag quasi eine Pragmatisierung machte, wurden fast nur noch befristete Verträge vergeben. „Alte“ Arbeitnehmer waren quasi unkündbar, die Jungen schauten bei der Jobsuche durch die Finger. Jetzt gebe es wieder mehr unbefristete Verträge. „Das wird die Kultur verändern“, so Salzer. Mit dem neuen Arbeitsrecht will Macron die Arbeitslosigkeit senken: Die Arbeitslosenquote lag zuletzt mit neun Prozent weit über dem EU-Durchschnitt.

Die französische Regierung will 15 Milliarden Euro für die Weiterbildung von Arbeitslosen und Jungen ausgeben. Derzeit gehen nur sieben Prozent der Jungen in Frankreich in die Lehre, in Österreich sind es 40 Prozent. Macron will die duale Berufsausbildung attraktiver machen. Wilhelm Hörmanseder, Vorstandsvorsitzender von Mayr-Melnhof, begrüßt das sehr: Er vermisst auf dem französischen Arbeitsmarkt das „Mittelstück“: Die Ausbildung für Topjobs sei sehr gut, aber es mangle an Fachkräften, die eine Lehre oder höhere Schule absolviert haben.

Für den österreichischen Kartonhersteller Mayr-Melnhof ist Frankreich der zweitwichtigste Markt mit sieben Werken, die über das ganze Land verstreut sind. Kein Wunder, dass man bei dem Unternehmen, das laut eigenen Angaben Weltmarktführer ist, firmenfreundliche Reformen begrüßt. Hörmanseder warnt aber vor zu viel Vorschusslorbeeren: „Der Anfang ist gemacht.“ Man müsse schauen, was am Ende von den Reformversprechen bleibt. 280 Millionen von 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz macht Mayr-Melnhof in Frankreich. Zwischen 2006 und 2018 habe man dort für Zukäufe und Investitionen mehr als 100 Millionen Euro ausgegeben.

Mobilfunk für die Bahn

Für die österreichische Kapsch-Gruppe ist die französische Staatsbahn SNCF einer der größten Kunden – Kapsch liefert die Technologie für die Übertragung von Notrufen. Der Konzern hat einen großen Forschungsstandort und 130 Mitarbeiter in Frankreich. Bernd Eder, bei der Tochterfirma Kapsch CarrierCom für Finanzen zuständig, findet, dass sich vor allem die Stimmung unter Wirtschaftstreibenden im Land verändert habe, seit das große Reformprogramm auf Schiene ist: Viele Ergebnisse werde man erst in Jahren sehen, aber: „Ich spüre eine sehr positive Dynamik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2018)

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