„Die Abhängigkeit vom Rohöl sinkt“

Bildung, Gesundheitswesen, Banken: Bassel Khatoun sieht in der Golfregion viele Investmentchancen abseits vom Öl.
Bildung, Gesundheitswesen, Banken: Bassel Khatoun sieht in der Golfregion viele Investmentchancen abseits vom Öl.(c) Stanislav Kogiku
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In den Golfstaaten dreht sich längst nicht alles nur um das Öl, erklärt Bassel Khatoun von Franklin Templeton. Der Wirtschaftswandel biete auch in anderen Bereichen Chancen.

Die Presse: Herr Khatoun, während die Golfregion erneut mit sinkenden Ölpreisen konfrontiert ist, sorgt der Tod des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi für einen Konflikt mit den USA. Wie dramatisch ist die Entwicklung?

Bassel Khatoun: Die Rechtsstaatlichkeit wird in Saudiarabien ihren Lauf nehmen, davon sind wir überzeugt. Aus wirtschaftlicher Perspektive zeichnet sich in der sogenannten Mena-Region ein differenziertes Bild ab: Sie umfasst mit den Golfstaaten sechs Ölexporteure, während fünf weitere Länder wie Marokko, Tunesien und Ägypten von Importen abhängig sind. Zudem verfügen die Golfstaaten über hohe Devisenreserven von mehr als 200 Prozent des BIPs, weisen eine geringe Staatsschuldenquote von rund 26 Prozent auf und fahren ambitionierte Fiskalprogramme, um die Ölabhängigkeit zu reduzieren.

Wie sieht es in Saudiarabien aus, dem größten Land in der Region? Immerhin verzeichnet der Staat seit einiger Zeit ein Defizit.

Andererseits betragen die Devisenreserven 500 Milliarden Dollar, während die Staatseinnahmen außerhalb des Ölsektors zuletzt um mehr als 40 Prozent zulegten. Die Reformen greifen also. Auch das Haushaltsdefizit schrumpft und sollte heuer auf rund vier Prozent des BIPs sinken.

Und wie werden die Wirtschaftsreformen umgesetzt? Saudiarabien hatte dazu ja eigens den „Saudi Vision 2030“-Plan ins Leben gerufen.

Anfang 2018 führte Saudiarabien – gemeinsam mit den fünf anderen Golfstaaten – eine Mehrwertsteuer in Höhe von fünf Prozent ein, was ein Novum für die Region ist. Zudem möchte Saudiarabien die Arbeitslosenrate auf sieben Prozent kräftig senken. Dazu soll die Anstellung heimischer Kräfte forciert werden, während Unternehmen für ausländische Arbeitnehmer nunmehr eine Abgabe bezahlen müssen. Zudem wird in Bildung, Infrastruktur und Tourismus reichlich investiert.

Womit sich die Frage stellt, ob auch Anleger auf diese Entwicklungen setzen können. Gibt es Investmentchancen, etwa im Bildungssektor?

In Saudiarabien notiert zum Beispiel Khaleej Training, ein Anbieter von Privatschulen. Die Zahl der Studenten wächst rapide. Heuer sind es rund 3000, in einigen Jahren dürfte die Zahl laut Prognosen auf gut 11.000 Schüler steigen. Schließlich schickt vor allem der wachsende Mittelstand seinen Nachwuchs in entsprechende Institutionen. Und in Kuwait profitiert Human Soft Holding, ein Betreiber von Privatuniversitäten, von dem Trend.

Der Gesundheitssektor soll in Saudiarabien ebenfalls reformiert werden. Kann die Privatwirtschaft davon profitieren?

Das öffentliche Gesundheitswesen ist veraltet und erfordert eine Menge Investitionen. Deshalb möchte die Regierung den Privatsektor miteinbeziehen, etwa mit dem Bau von Krankenhäusern oder der Verwaltung von Spitälern. Davon profitieren führende private Gesundheitsfirmen wie zum Beispiel Mouwasat Medical Services, zumal auch deren Leistungen durch eine Krankenversicherung immer öfter in Anspruch genommen werden.

Auch der Bankensektor spielt eine wichtige Rolle, darauf entfällt mit Titeln wie zum Beispiel Al Rajhi Bank der größte Fondsanteil. Was steckt dahinter?

Dazu muss man wissen, dass die Währungen in der Golfregion an den Dollar gekoppelt sind. Steigende US-Zinsen werden dort deshalb direkt umgesetzt. Und das kommt den Banken zugute. Sie können für ihre Kredite mehr verrechnen, während der Großteil der Geldeinlagen in der Region nicht verzinst wird.

Die Börse Saudiarabiens soll 2019 in den bekannten MSCI Emerging-Markets-Index aufgenommen werden. Welche Auswirkungen wird das auf die Märkte haben?

Derzeit sind Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten aus der Mena-Region mit einer Gewichtung von 1,5 Prozent enthalten. Die Gewichtung für Saudiarabien ist bei 2,6 Prozent angesetzt, wobei der Anteil steigen dürfte, wenn die staatliche Ölgesellschaft Saudi Aramco an die Börse gebracht wird. Die Aufnahme wird sich jedenfalls positiv auf den Markt auswirken. Wir erwarten Zuflüsse von rund 40 Milliarden Dollar an internationalen Geldern nach Saudiarabien.

ZUR PERSON

Bassel Khatoun ist Portfoliomanager bei Franklin Templeton Investments. Er investiert in sogenannte Frontiermärkte – Grenzmärkte, die am Anfang einer wirtschaftlichen Entwicklung stehen. Darüber hinaus managt Khatoun den Franklin Templeton Mena Fund. Mena steht für die vier englischen Anfangsbuchstaben der Begriffe Naher Osten und Nordafrika (Middle East, North Africa). Khatoun hat einen Abschluss der Oxford University in Volkswirtschaft, Politik und Philosophie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2018)

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