Fehlerhafte Medizinprodukte: US-Marktführer könnte für 9300 Todesfälle verantwortlich sein

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Die Rate fehlerhafte Produkte sei bei Medtronic doppelt so hoch wie bei der Konkurrenz, berichten Medien. Dem US-Konzern werden ethische und rechtliche Verfehlungen vorgeworfen.

Der Marktführer in Medizintechnologie könnte laut einer internationalen Recherche mit bis zu 9300 Todesfällen und 292.000 Verletzungen in den USA in Verbindung gebracht werden. Die Implantate des US-Konzerns Medtronic seien in einem von fünf Fällen problematisch, berichtete das internationale Konsortium für Investigativen Journalisten (ICIJ) am Sonntag mit Verweis auf Berichte an US-Behörden.

Die Rate der fehlerhaften Medizinprodukte von Medtronic ist demnach doppelt so hoch wie bei Konkurrenzunternehmen. Den "Implant Files" genannten Recherchen zufolge haben auch Behörden in Japan, Norwegen und Australien Medtronic-Produkte als größte Quelle für Beschwerden in den vergangenen fünf Jahren ausgemacht. Seit 2008 seien Insulinpumpen und Einzelkomponenten des Konzerns mit mehr als 2600 Todesfällen und 150.000 Verletzungen in Verbindung gebracht worden. In Deutschland seien im vergangenen Jahr 14.034 Verdachtsfälle gemeldet worden.

Reporter befragten Patienten oder Familienmitglieder von Opfern in Deutschland, Finnland, Norwegen und Australien. Sie erzählten, Medtronic beantworte Rückfragen bei Problemen mit Insulinpumpen nur langsam und informiere Patienten nicht immer über die Risiken der Geräte.

Entschädigung nur mit Verschwiegenheitsverpflichtung

Die zuständige US-Aufsichtsbehörde FDA erklärte die hohe Zahl von Beschwerden gegen Medtronic mit der führenden Rolle des Unternehmens auf dem Markt für Medizinprodukte. Das Recherchekonsortium zählte allerdings zahlreiche Fälle auf, in denen der Konzern rechtlicher und ethischer Verfehlungen beschuldigt wurde. Dabei ging es sowohl um den strittigen Einsatz von Implantaten als auch um fragwürdige Verbindungen zu Ärzten, die Medtronic-Produkte einsetzten oder Gefälligkeitsstudien über sie verfassten.

Medtronic-Sprecher Rob Clark sagte, die Anschuldigungen seinen "keine Fakten" und sollten nicht so ausgelegt werden, als ob das Unternehmen gegen "unsere rechtlichen, ethischen oder regulativen Verpflichtungen verstoßen" hätte. Jegliches medizinische Produkt bringe ein gewisses Risiko mit sich, fügte er hinzu.

Im Gegensatz zu den Herstellerin von Medikamenten müssten die Hersteller keine aufwendigen klinischen Studien durchführen, mit denen die Wirksamkeit nachgewiesen wird, heißt es in den Berichten Auch die Überwachung der Produkte, wenn sie eingesetzt sind, habe Lücken.

Zudem knüpften die Hersteller Entschädigungszahlungen oft an Verschwiegenheitsverpflichtungen der Betroffenen. In den vergangenen zehn Jahren mussten Medizinprodukthersteller demnach außerdem mehr als 1,6 Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro) zahlen, um Korruptions- und Betrugsvorwürfe beizulegen, wie aus Daten der US-Börsenaufsicht SEC und des US-Justizministeriums hervorgehe.

EU pocht auf bessere Umsetzung von Regeln

Die EU-Kommission forderte eine bessere Umsetzung von Regeln und Kontrollen. Auf EU-Ebene sei als Konsequenz aus dem Skandal um geplatzte Brustimplantate 2017 ein neues Regelwerk beschlossen worden, sagte eine Sprecherin am Montag. "Aber die Geschichte ist noch nicht vorbei. Wie immer ist natürlich die Umsetzung der entscheidende Punkt." Die EU-Staaten, Hersteller und Ärzte seien aufgefordert, die strengeren Qualitäts- und Sicherheitsstandards anzuwenden und ihre Arbeit transparenter zu machen, betonte die Sprecherin.

>>> "Implant Files"

(APA/AFP)

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