Experte hält Kritik in 'Implant Files' für "überzogen"

 Schadensfälle, „die man meist nicht verhindern könnte“, würden in seltenen Fällen vorkommen.
Schadensfälle, „die man meist nicht verhindern könnte“, würden in seltenen Fällen vorkommen.(c) Clemens Fabry
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Auch in Österreich kommt es zu fehlerhaften Implantaten. Ein Professor für Medizintechnik der MedUni Wien warnt aber vor zu viel Regulierung bei Medizinprodukten.

Wien. Auch in Österreich kommt es beim Einsatz von Medizinprodukten immer wieder zu Problemen. Schwerwiegende Zwischenfälle und „Beinahezwischenfälle“, darunter fallen medizinische Eingriffe aufgrund von Nebenwirkungen, dauerhafte Beeinträchtigungen, lebensbedrohliche Krankheiten bis hin zu Todesfällen, müssen gemeldet werden. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen verzeichnete 2336 Fälle im Jahr 2017, fast doppelt so viele wie noch 2008. „Die Situation in Österreich unterscheidet sich nicht von Deutschland“, sagt Heinrich Schima von der Med-Uni Wien.

Der Professor für Medizintechnik hält die Kritik in den „Implant Files“ aber für überzogen. Schadensfälle, „die man meist nicht verhindern könnte“, würden in seltenen Fällen vorkommen. Schima gibt zu, dass Medizinprodukte im Gegensatz zu Medikamenten schwieriger zu prüfen sind. Große Studien seien oft nicht finanzierbar. Dennoch liege seiner Ansicht nach der Nutzen, den viele Medizinprodukte für Patienten bringen, weit über dem Risiko. Zudem würden Implantate in Österreich schon jetzt von Überwachungsstellen, einer Ethikkommission sowie der österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit geprüft.

Schima befürchtet, dass die neue Medical Device Regulation, die im Mai 2020 in der EU in Kraft treten und aktuelle Richtlinien ersetzen soll, übers Ziel hinausschießt: „Manche dieser Neuerungen sind gut und sinnvoll“, vieles allerdings „überzogene bürokratische Hürden“. Produkte könnten durch mehr Regulierung nicht mehr entwickelt und nicht mehr auf den Markt gebracht werden, was in der Folge auch die Patienten gefährden würde, meint Schima. (twi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2018)

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