Türkis-Blau hat beschlossen, dass die Sozialministerin "Vorbereitungshandlungen" auf nicht beschlossene Gesetze tätigen darf. Die SPÖ ortet eine Verfassungswidrigkeit - und droht mit dem Gang vor den Verfassungsgerichtshof. Auch die Neos sind empört.
Die SPÖ und die Neos laufen weiter Sturm gegen einen in der Vorwoche mit türkis-blauer Mehrheit beschlossenen Passus im Sozialversicherungsrecht. Er gestattet es Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) "Vorbereitungshandlungen" für die Krankenkassenreform zu führen, bevor die Gesetze dafür überhaupt in Kraft sind. SPÖ und Neos laufen drohen deshalb mit dem Gang zum Verfassungsgerichtshof, die Pinken appellierten auch an Bundespräsident Alexander Van der Bellen das Gesetz erst gar nicht zu unterschreiben. Nun geht die SPÖ einen weiteren Schritt: Sie hat am Dienstag formell ein Hearing über die Regelung im Bundesrat gefordert.
Der Bundesrat müsse dem Nationalrat - der sie schon beschlossen hat - aufzeigen, "wie eine verfassungskonforme Vorgangsweise aussehen könnte", heißt es in eine Brief an die Bundesratspräsidentin.
Zustimmung zu Tagesordnung verweigert
Sollte es nicht zum Hearing kommen, wird die SPÖ der Tagesordnung für die Sitzung, in der es um das "Ermächtigungsgesetz" geht, nicht zustimmen, erklärte der Fraktionschef der SPÖ-Bundesratsfraktion, Reinhard Toth, in seinem Brief an Präsidentin Inge Posch-Gruska (SPÖ).
Tagen könnte der Bundesrat in dem Fall freilich trotzdem, die Entscheidung über die Tagesordnung trifft die Präsidentin. Üblicherweise wird die Tagesordnung für Parlamentssitzungen aber immer im Einvernehmen der Fraktionen festgelegt.
Rechtsexperten orten Verfassungswidrigkeit
Die SPÖ sieht sich in ihrer Kritik an der Verordnungsermächtigung durch die Meinung von Rechtsexperten wie Rudolf Müller, Walter Berka, Karl Stöger und Bernd-Christian Funk bestärkt. Sie alle erachten es für verfassungswidrig, wenn eine Ministerin Vorbereitungen für eine Reform treffen darf, die vom Parlament noch gar nicht beschlossen wurde. Zumindest diese vier Experten sollten auch vom Bundesrat zum Hearing geladen werden, verlangt Toth. Ihm sei es "unverstellbar, diese Vorlage einfach im Bundesrat durchzuwinken".
Den Beschluss aufhalten kann die SPÖ allerdings nicht. Aber sie vor den Verfassungsgerichtshof bringen, wenn sie in Kraft tritt. Dies ist mit einem Drittel-Antrag im Bundesrat möglich.
(APA/Red.)