Hebein: „Natürlich mache ich linke Politik“

Birgit Hebein.
Birgit Hebein.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Für viele überraschend wurde Birgit Hebein grüne Nummer eins. Was will sie für die Partei – und für Wien?

Wien. Eine der ersten morgendlichen Gratulantinnen war Maria Vassilakou: „Willkommen im neuen Leben.“ Ganz angekommen ist Birgit Hebein aber noch nicht. Die ersten Sätze bei der Pressekonferenz mit winterlichem Panoramablick über die Dächer Wiens fallen etwas steif aus: „Ich geb's zu, ich bin ein bisschen aufgeregt“, sagt sie. Und: „Ich hoffe, Sie haben nicht allzu viele Fragen, weil ich nicht alle Antworten habe.“

Man darf vermuten: Trotz bereits absolvierten Medientrainings werden Pressetermine auch künftig nicht Hebeins Lieblingsbeschäftigung werden. Dabei war sie weniger überrascht von ihrem Sieg als viele andere. Sie hatte viel Unterstützung bekannter Grüner und aus dem NGO-Bereich. Und sie positionierte sich von Beginn an als „Mitte“. Als jene, die die Lager – Vassilakou-Favorit Peter Kraus versus Klubchef David Ellensohn – eint.

(c) Die Presse

Die Strategie hat sich bei einem Wahlsystem, bei dem Stimmen für mehrere Kandidaten abgegeben werden können, ausgezahlt. Denn wer Kraus seine erste Stimme gab, wollte seine zweite eher nicht an Ellensohn vergeben – und umgekehrt. Hebein hat somit viele Zweitstimmen erhalten. Bei der Auszählung lag Kraus fast bis zum Schluss vor Hebein. Sie gewann dank der Zweitstimmen aus dem Ellensohn-Lager. Mit etwa hundert Stimmen Vorsprung – der Letztstand lag bei 1244 zu 1138.

Old School, na und?

Und so hat letztlich eine gewonnen, die ursprünglich gar nicht antreten wollte. Was aber will sie jetzt? Ihre Grundsatzrede wird Hebein bei der Landesversammlung am Samstag halten. Aber schon am Dienstag wurden – auch wenn sie bei Sachfragen die Antwort schuldig blieb – sichtbar, wohin die Reise geht. Zu dem Konzept der Bundesgrünen – zu dem den Deutschen nachempfundenen gut gelaunten, betont jungen und dezent bürgerlichen Neustart – passt Hebein jedenfalls nur bedingt. Unisono, von „Presse“ bis „Standard“, wurde ihr Sieg als Linksruck gewertet. Das Links-Label begleitete Hebein, die in ihrer Jugend „sehr links war“, bereits durch den Wahlkampf – und inzwischen nervt es sie hörbar: „Natürlich mache ich linke Politik, was denn sonst?“ Und: „Man muss sich vor linker Politik nicht fürchten.“ Linke Politik stehe für Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Sorgsamkeit im Umgang mit der Umwelt – „Ich frage Sie: Was ist dann bürgerliche Politik?“ Einfach gut sein – so einfach ist es aber auch nicht. Links heißt bei Hebein bis jetzt vor allem Sozialpolitik. Jedes Thema – auch die Klimakrise – führt sie auf das Soziale zurück. Diese Taktik war anfangs auch aus der Not geboren. Denn im Sozialbereich kennt sich Hebein am besten aus. Er ist ihre Leidenschaft. Inzwischen wird das Soziale jedoch auch zum roten Faden. Im doppelten Sinn. Sie wolle die ökologische und soziale Frage verknüpfen, sagt Hebein oft. Und kommt in ihren Ausführungen auf „Arme“ und „Hackler“ zurück.

Will Hebein also in roten Gefilden wildern? Ja. Weniger Museumsquartier, mehr Außenbezirk – lautet das Motto. Die gebürtige Kärntnerin pflegt das Bild der Kämpferin für die sozial Schwachen, das der Sachpolitikerin mit Bodenhaftung – die „Politik lebt“: Hebein fährt auch im Winter Rad, will weiter auf Demos gehen. Die Zuschreibung „Rückbesinnung auf grüne Werte“ ist ihr nur recht.

Dazu zählt für sie auch das Bürgerbewegte. Schon jetzt gibt sie ein anstrengendes Versprechen. Sie will mehr „draußen bei den Leuten sein“, Hausbesuche machen, Bürgern „Räume zur Selbstorganisation“ ermöglichen und „sich jeder Diskussion stellen“. Vassilakou hat das zuletzt nicht mehr so oft – und nicht mehr so gerne gemacht.

Hauptsache „gemeinsam“

Apropos gemeinsam: Das Wort verwendet Hebein oft. Sie will sich von einem „Team“ bei Fachfragen unterstützen lassen. Namen nennt sie aber nicht. Auch ob ihre Gegenkandidaten künftig eine Rolle spielen und welche, ist noch offen. Fix ist nur: Alles werde – das betont sie – „gemeinsam“ entschieden. Heute Mittwoch will sie „gemeinsam“ mit Maria Vassilakou den Zeitplan für die Ämterübergabe (Vizebürgermeisterin, Stadträtin für Verkehr und Stadtplanung) klären.

Was die Zukunft betrifft. Mit Hebein wird es für die SPÖ zwar härter – auch die Debatte um die Mindestsicherung wird eher nicht so harmonisch, wie sie das prophezeit. Aber Hebein ist schon lange im Geschäft. Sie kennt das Spiel der Abtauschgeschäfte. Und sie kann kein Interesse an früheren Neuwahlen haben. Denn Hebein hat dasselbe Problem wie ihre unterlegenen Kollegen: Außerhalb des grünen Universums kennt sie bislang kaum jemand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)

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