Mikl-Leitner: „Unternehmen, die zu uns kommen, wollen sich nicht mit Bürokratie aufhalten“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Interview. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fürchtet den Wettbewerb mit Wien nicht. Immer mehr Firmen würden sich entscheiden, ihren Sitz nach Niederösterreich zu verlegen, sagt sie.

Das geplante Standortentwicklungsgesetz soll Großprojekte beschleunigen und damit die Wirtschaft ankurbeln. Allerdings wurde der erste Entwurf allseits massiv kritisiert. Was halten Sie von der letzten Fassung?

Johanna Mikl-Leitner: Ich glaube, das Standortentwicklungsgesetz ist wichtig und notwendig. Nun geht es nur mehr um das Fine-Tuning und die richtige Ausgestaltung. Aber ja, für den Wirtschaftsstandort Österreich ist es unverzichtbar. Denn Unternehmen gehen nur dort hin, wo sie auf unbürokratische Art und Weise Betriebe ansiedeln und weiterentwickeln können. Bestes Beispiel ist die geplante dritte Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat: Jeder weiß, sie muss gebaut werden, weil sie nicht nur für Niederösterreich, sondern auch für das ganze Land wichtig ist. Der Bewilligungsprozess dauert nun schon weit über zehn Jahre. Ein normales Unternehmen kann sich so ein Verfahren nicht leisten, es würde ins Ausland gehen und dort seine Projekte realisieren. Mit dem Standortentwicklungsgesetz aber wird es schnellere Entscheidungen, kürzere Verfahren und mehr Rechtssicherheit geben. Wir wissen aus Erfahrung unserer Wirtschaftsagentur, die Unternehmen, die sich in Niederösterreich niederlassen, begleitet: Diesen Betrieben geht es weniger um die finanzielle Förderung, vielmehr darum, bei den Behördenwegen unterstützt zu werden, damit sie ihre Pläne möglichst schnell realisieren können.

Ein frommer Wunsch . . .

Nein, ist es nicht. Aber natürlich bemühen wir uns, noch besser zu werden. Ein Beispiel: Wir hatten kürzlich ein IT-Unternehmen, das sich in Wolkersdorf niederlassen wollte. Es hatte einen deutschen Architekten beschäftigt. Er ging davon aus, dass es zwei Jahre dauern würde, bis alle Bewilligungen auf dem Tisch liegen würden. Aber so war es nicht. In fünf Monaten war alles erledigt. Und das ist auch notwendig, denn Unternehmen wollen rasch operativ tätig werden und sich nicht mit Bürokratie aufhalten. Zeitverlust kostet am meisten Geld.

Niederösterreich investiert weiterhin viel Geld in den Ausbau von Straßen. Die Europa-Spange ist ein Beispiel dafür. Gibt es Evaluierungen, wie viel sie dem Land bringen wird?

Ich bin selbst ein Kind der Grenzregion. Ich bin in Großharras an der tschechischen Grenze aufgewachsen. Damals war klar, dass niemand Straßen nach Tschechien und in Richtung Slowakei bauen wird. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Beitritt zur Europäischen Union hat sich das Gott sei Dank verändert. Die historischen Ereignisse wurden genutzt, um nachzuziehen und Infrastruktur zu schaffen. Es ist also in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr viel passiert. Aber es braucht noch das eine oder andere: Wir verfolgen mit der Europa-Spange ein Projekt, das nicht nur für unser Bundesland und Österreich relevant ist, sondern für ganz Europa (Die neue Europa-Spange soll die Wirtschaftsräume St. Pölten/Wien/Bratislava, Linz/Wels/Süddeutschland sowie Budweis/Prag und Brünn verbinden – und gleichzeitig das nördliche und östliche Niederösterreich anbinden; Anm.). Denn damit werden die dynamischen Wirtschaftszentren miteinander verbunden. Wenn wir das schaffen, ist das nicht nur international, sondern auch für uns regional eine tolle Sache. So kann es uns gelingen, bisher benachteiligte Gebiete wie das Wein- und Waldviertel anzubinden.

Welche Rolle soll der Bahn bei der Entwicklung solcher Regionen zukommen?

Insgesamt investieren wir 3,3 Milliarden Euro in Straßenbau und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Wir sehen Schiene und Straße im Gesamtkontext. Deshalb verhandeln wir auch schon mit Verkehrsminister Norbert Hofer. Es geht uns darum, diese Projekte in einer Strategischen Prüfung im Verkehrsbereich (SPV) abzuwickeln. Das heißt, es gibt nicht zwei verschiedene Verfahren, eines für die Schiene und eines für die Straße, sondern beide Projekte werden in einem behandelt werden.

Apropos Schiene: Ein Vorzeigeprojekt dieser Regierung ist die Breitspurbahn von Peking nach Österreich. Bisher war Parndorf im Burgenland für den Logistikterminal und den Verladebahnhof vorgesehen. Doch im Frühjahr hat diese Gemeinde ein Veto eingelegt. Wird die Breitspurbahn nun in Niederösterreich enden?

Um darauf eine klare Antwort geben zu können, muss ich die Rahmenbedingungen dafür kennen. Im Verkehrsministerium gibt es schon eine eigene Arbeitsgruppe, die das Projekt analysieren und einschätzen soll.

Worauf kommt es Ihnen an?

Ich muss davon überzeugt sein, dass der Bau des Endterminals eine wirkliche Chance für die Region ist, um dort neue Industrie und Betriebe anzusiedeln. Wir müssen auch vorweg abschätzen, wie viele Arbeitsplätze dabei entstehen können. Das Ganze muss eine Win-win-Situation sein, wir wollen jedenfalls nicht nur zum Endpunkt von der Breitspurbahn werden.

Österreich leidet unter einem massiven Mangel an Fachkräften. Was tun Sie, um gut ausgebildete Leute in Niederösterreich zu halten?

Wir alle leiden unter diesem Problem. Daher versuchen wir, die Menschen auch dort auszubilden, wo wir sie tatsächlich brauchen. Dabei ist für uns der Fachkräftemonitor eine gute Grundlage. Mit ihm finden wir heraus, wo welche Ausbildungen angeboten und gemacht werden und ob es dann überhaupt Nachfrage nach diesen Fachkräften gibt.

Und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Wir haben etwa gesehen, dass es im Waldviertel vier Handelsakademien gibt. Aber dieses Angebot an kaufmännischer Ausbildung ist zu groß, denn die Absolventen werden entweder zu Arbeitslosen oder zu Pendlern. Heute braucht man nicht mehr so viele Sekretärinnen wie früher, heute schreibt sich jeder das meiste gleich selbst. Darum haben wir mit September etwas geändert und in jeder Handelsakademie einen anderen Schwerpunkt gesetzt. In einer ist es Holz, in der zweiten Logistik, in der dritten Gesundheit und in der vierten IT. Diese Neuerung wurde hervorragend angenommen.

Nach welchen Kriterien haben Sie die vier Schwerpunkte ausgesucht?

Wir haben dabei nicht nur die Daten des Fachkräftemonitors beachtet, sondern auch unsere Leitbetriebe in die Entscheidung miteinbezogen. So konnten wir feststellen, welche Fachkräfte sie brauchen. Und wir wollen dafür sorgen, dass die Betriebe diese Leute auch bekommen, damit sie nicht aus Niederösterreich abwandern.

Haben die Fachhochschulen dazu beigetragen, dass sich Unternehmen in Niederösterreich ansiedeln?

Sicher, sie sind für uns ganz zentral. Und auch hier achten wir bei den Lehrgängen genau darauf, welches Know-how die Unternehmen brauchen. Deshalb haben wir nun auch einen Biochemielehrgang ins Leben gerufen, weil die Nachfrage nach Biochemikern so groß ist.

Täglich pendeln Tausende Niederösterreicher nach Wien, um dort zu arbeiten. Wie intensiv erleben Sie den Standortwettbewerb?

Es gibt ihn, und wir können mit Wien gut mithalten. Es gibt unglaublich viele Firmen, die von Wien nach Niederösterreich gesiedelt sind, und zwar in den verschiedensten Bereichen. Denken Sie an den Fensterhersteller Hrachowina, der im Juni seine Produktion nach Niederösterreich verlegt hat. Oder Niemetz Schwedenbomben oder Neni am Tisch – Letztere hat ebenfalls die Produktion in den Bezirk Mödling verlegt. Und das Unternehmen Pollmann baut gerade im Waldviertel weiter aus.

Wissen Sie, wieso die Unternehmen Wien den Rücken kehren?

Wir begleiten in Niederösterreich die Unternehmen sehr gut und sind sehr schnell in der behördlichen Abwicklung. In 80 bis 90 Prozent der Fälle sind wir in sechs Monaten mit allem fertig. Das ist unser Unique Selling Point, USP. Das bestärkt auch viele internationale Investoren. Wenn man als Bundesland wettbewerbsfähig bleiben will, muss Landespolitik auch international gedacht werden.

Sie wollen in der Verwaltung sparen. Wo sehen Sie Potenzial?

Wir machen uns in der Verwaltung die Digitalisierung immer mehr zunutze und können damit Kosten senken.

Wie etwa?

Bis Ende 2018 wollen wir die Transparenzdatenbank zur Gänze befüllt haben. Mit diesem Instrumentarium kann ich dann genau beobachten, welche Förderung welchen Effekt gebracht hat. In Zeiten wie diesen, in denen öffentliche Gelder nicht mehr werden, ist es besonders wichtig, darauf zu achten, wie wir Geld investieren und ob wir unsere Wirkungsziele tatsächlich erreichen. Sie können übrigens alle Wirtschaftsförderungen online beantragen. Das passiert bereits zu 50 Prozent. Und auch die Bewilligung geschieht online. Und Förderungen für Semestertickets können Studierende mit ihrem Handy beantragen. Das hat freilich zur Folge gehabt, dass die Anträge in die Höhe geschnellt sind, weil nun alles so leicht geht.

Apropos Förderung: Sie hatten in Erwin Pröll einen großen Förderer. Sind Sie auch von Frauen gefördert worden?

Ja, Liese Prokop hat mich sehr unterstützt. Sonst waren es aber eher Männer. Das ist aber klar, denn früher waren ausschließlich Männer in Führungspositionen.

Was macht gute Förderung aus?

Ich glaube, man muss den Mitarbeitern, die Potenzial haben, etwas zutrauen und sie auch tun lassen. Gute Leute wollen auch immer starke Menschen um sich haben.

Glauben Sie? Viele Führungskräfte ertragen gute Leute und starke Persönlichkeiten in ihrem Umfeld gar nicht. Sie haben Angst, an Strahlkraft zu verlieren.

Wenn ich gut bin, brauche ich doch keine Sorge haben. Und es verhält sich doch genau anders: Je besser das Team, desto größer ist der Erfolg. Das gilt auch in der Politik.

Zur Person:

Johanna Mikl-Leitner wurde 1964 in Hollabrunn geboren. Sie studierte Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität in Wien.
Seit dem 19. April 2017 ist sie die amtierende Landeshauptfrau von Niederösterreich und damit ihrem Förderer Erwin Pröll nachgefolgt.

Von 2011 bis 2016 war sie österreichische Innenministerin.

Seit 25. März 2017 ist Mikl-Leitner
Landesparteiobfrau der Volkspartei Niederösterreich.

Johanna Mikl-Leitner ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Sie wohnt in Klosterneuburg.

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