Protest erzwingt Pause für "Menschen nach Maß" in China

He Jiankui
He JiankuiAPA/AFP/ANTHONY WALLACE
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Der chinesische Molekularbiologe, der die ersten Designerbabys produzierte, beugt sich der Kritik.

Als die Gentechnik jung war und die Sorge groß, sie könne Teufelszeug in die Welt bringen, setzten sich die Kundigen im Ort Asilomar zusammen und beschlossen etwas für die Wissenschaft Neues, ein Moratorium: Die Forschung sollte nur mit größtem Bedacht betrieben werden, zudem verbot man sich das Hantieren mit gefährlichen Erregern.

Das war 1975, die Community war klein und die Technik aufwendig. Inzwischen ist sie Routine Zehntausender Molekularbiologen geworden, und mit ihr wird gemacht, was technisch machbar ist: Man hat das Virus wiedererweckt, das 1918/19 die Spanische Grippe mit ihren 25 Millionen Toten brachte, man hat eine höchst gefährliche Variante der Vogelgrippe, die es in der Natur nicht gibt, im Labor gebaut. Man hat versucht, Kopien von Menschen zu ziehen – Klone nach dem Muster des Schafs Dolly –, es misslang (nach allem, was man weiß).

Das Bedauern darüber war auch in der Zunft nicht groß, ein viel härterer Schlag traf sie 1999, als der 19-jährige US-Amerikaner Jesse Gelsinger an einer Gentherapie starb: an einer „somatischen Therapie“, die Genschäden an erwachsenen Körpern reparieren will. Das hatte man seit Beginn der 1990er-Jahre Tausende Male versucht, fast ohne jeden Erfolg, mit dem Tod Gelsingers war die erste Generation der Gentherapie am Ende (sie köchelt auf kleinster Flamme weiter), gelernt hat die Community daraus, dass so etwas nicht noch einmal passieren darf!
Das grundiert den Sturm der Entrüstung aus den eigenen Reihen, den sich He Jiankui (Shenzhen, China) zuzog, seit er am Sonntag via YouTube kundgetan hatte, er habe erstmals Menschen nach Maß produziert, zwei Mädchen, denen er mit der jüngsten Generation der Gentherapie – der Methode Crispr – eine Resistenz gegen HIV eingebaut habe.

Ziel: HIV-freie Babys von Vätern mit HIV

Das brachte Kopfschütteln über die Art des Publizierens und darüber, dass es nicht um das Heilen eines Leidens ging, sondern um das Schützen vor einem. Und: Was haben Babys mit HIV zu tun? Zumindest das ist inzwischen klarer: Die Väter der Kinder haben das Virus. Grundsätzlichere Kritik kam dafür, dass diese Babys eben die ersten Menschen nach Maß sind und dass sie ihre Innovation an ihre Kinder weitergeben werden. Denn bei ihnen sind Gene in der Keimbahn verändert, und solche Eingriffe waren bisher tabu, weil sie beliebiges Design in Aussicht stellen, eine Verschönerung des Körpers etwa oder eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit.

Zudem ging es bei der Kritik an He darum, dass er klandestin vorangestürmt war, seine Uni wusste nach eigenem Bekunden nichts davon, sie hat eine Untersuchung eingeleitet, auch die oberste chinesische Gesundheitsbehörde hat es getan. Aber nicht nur die amtliche Kontrolle hat versagt, die Selbstkontrolle der Wissenschaft tat es auch – im Nachhinein haben 120 chinesische Fachkollegen einen Protestbrief unterzeichnet –, das speiste internationale Empörung auf einem Kongress über mögliche Therapien mit Crispr, der gerade in Hongkong eröffnet wurde, dort fielen auch Stichworte wie das von der Büchse der Pandora.

All das hat sich so summiert, dass He sein Experiment abgebrochen bzw. ihm eine „Pause“ verordnet hat: Er hatte noch andere Paare mit Wunsch nach HIV-freien Kindern. Aber zwei sind eben nun da, und die größte Sorge gilt möglichen Nebenwirkungen von Crispr – die Methode ist nicht so exakt, wie man lang meinte –, in Tierversuchen gingen diese bis zu Krebs. „Diese zwei Mädchen sind Versuchskaninchen“, fasst Molekularbiologe Liu Ying (Peking) zusammen. Und sie werden mit Sorge und der Erinnerung an den Namen Gelsinger im Auge behalten werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2018)

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