Mit Todesverachtung in den Mund

(c) Carolina Frank
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Manchmal muss man seine Nahrungsmittelunverträglichkeiten auch ein bisschen vergessen können!

Manchmal muss man seine Nahrungsmittelunverträglichkeiten auch ein bisschen vergessen können! Zum Beispiel, wenn ein Bekannter ein neues Lokal aufmacht. „Mmm! Köstlich!", sage ich, obwohl Gazpacho etwas ist, das mein Magen schon seit 20 Jahren nicht mehr verdaut. Normalerweise hätte ich so ein Geschenk abgelehnt, aber der Bekannte bleibt freudestrahlend vor mir stehen. „Du bist in dieser Woche erst mein dritter Gast. Deshalb bist du jetzt mein Versuchskaninchen!" Und noch bevor ich behaupten kann, dass ich heute zu­­fällig keinen so großen Hunger habe, bringt der Bekannte schon das nächste Amuse-Gueule. Ein Matjesfilet. „Selbst gebeizt! Nach einem alten Rezept von der Schwiegermama!" Entschlossen schaufle ich den Berg Zwiebeln („die besten süßen italienischen roten Zwiebeln – selbst im Kofferraum aus Kalabrien importiert") zur Seite, weil Zwiebeln würden mich sofort zur Kandidatin für die Notaufnahme machen, schneide ein Stück vom Matjesfilet ab und schiebe es mit Todesverachtung in den Mund. Danach stellt der Bekannte ein Brett mit kleinasiatischen Vorspeisen auf den Tisch. „So einen Hummus hast du noch nie gegessen, das schwör ich dir!" Ich hätte jetzt sagen können, dass ich Hummus auch nicht vertrage, aber die Augen meines Bekannten hingen so verzweifelt an den meinen, da konnten meine Magenschleimhäute nicht nein sagen! Danach bringt der Bekannte den Fisch, den ich eigentlich bestellt hatte, allerdings mit 90 Prozent mehr Olivenöl drumherum. Ich gehe im Stillen meine Hausapotheke durch. „Da habe ich", sagte mein Bekannter, „ein todsicheres Mittel!" Es war selbst gebrannter Zirbenschnaps. Ein wirklich gelungenes Abendessen! Vor allem, wenn man überlegt, dass es jetzt schon drei Tage anhält.

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