G-20-Gipfel: Das Treffen der Konflikte

(c) imago/ZUMA Press (Steffen Kugler)
  • Drucken

Beim heute beginnenden G-20-Gipfel in Argentinien gibt es so viel politischen Zündstoff wie schon lange nicht mehr. Jüngster Streitfall: Die Ukraine-Krise.

Buenos Aires. Ukraine-Krise, Handelskrieg, Khashoggi-Affäre und Klimaschutz: Beim heute beginnenden G-20-Gipfel in Buenos Aires gibt es so viel Zündstoff wie schon lange nicht mehr. Wegen der Eskalation zwischen der Ukraine und Russland sagte US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kurzerhand ab. Er begründete den Schritt damit, dass die von Russland festgenommenen ukrainischen Seeleute bisher nicht freigelassen und ihre Schiffe nicht zurückgegeben worden seien.

Beim Zehn-Jahre-Jubiläum der G-20-Gipfel will die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel der Abschottungspolitik von Trump entgegenwirken und für mehr internationale Zusammenarbeit statt Protektionismus eintreten. Merkel verspätet sich allerdings wegen eines technischen Defekts in ihrem Regierungsflugzeug, der sie auf der Anreise zur Umkehr zwang.

Zwei Drittel der Weltbevölkerung vertreten

Die "Gruppe der 20" aus 19 Ländern und der Europäischen Union repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung und 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Seit der globalen Finanzkrise 2008 tagen sie auch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs.

Spannend wird ihr Umgang mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman, der am Mittwoch als erster eingetroffen war. Wegen der Tötung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul wird der Kronprinz weltweit kritisiert. Ihm wird vorgeworfen, den Mord in Auftrag gegeben oder zumindest davon gewusst zu haben. Während ihm die deutsche Kanzlerin aus dem Weg gehen wird, will sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit dem Kronprinz treffen. Trump sagte, er habe nicht genug Zeit für ein Treffen mit Salman.

25.000 Sicherheitskräfte schützen Gipfelteilnehmer

Zehntausende Demonstranten wollen zum Auftakt des zweitägigen Gipfels am Freitag gegen die Wirtschaftskrise in Argentinien und die Staatsführer protestieren, die aus ihrer Sicht nicht genug gegen soziale Ungerechtigkeit in der Welt tun. Ein massives Aufgebot von 25.000 Sicherheitskräften schützt die Staats- und Regierungschefs.

Diesmal sei es wegen der Differenzen in Handels- oder Klimafragen besonders schwierig, eine gemeinsame Abschlusserklärung zu finden, hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Die Unterhändler haben schon zwei Nächte durchverhandelt. Es wäre beispiellos in der Geschichte der G-20, wenn es keine Einigung auf ein Kommunique gäbe.

Handelskrieg zwischen USA und China

Die größte Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte ist der Handelskrieg, den Trump mit China angezettelt hat. Vor seinem "Showdown" mit Staats- und Parteichef Xi Jinping am Samstagabend in Buenos Aires erhöhte Trump den Druck. "Ich denke, dass wir sehr nahe dran sind, etwas mit China zu tun, aber ich weiß nicht, ob es das ist, was ich tun möchte", sagte Trump vor der Abreise. Derzeit flössen Milliarden Dollar an Strafzöllen in die Staatskasse.

Trump wirft China unfaire Handelspraktiken, mangelnden Marktzugang, zwangsweisen Technologietransfer und Produktpiraterie vor. Bietet China nicht ausreichende Konzessionen, droht Trump mit einer Erhöhung der Zölle und einer Ausweitung auf alle Einfuhren aus China im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar (443 Mrd. Euro). "Es ist unmöglich zu sagen, ob es beim G-20-Gipfel einen Waffenstillstand oder einen Durchbruch gibt", sagte ein Beamter des Pekinger Außenministeriums. "Es kann in zwei Stunden gelöst werden - oder in zehn Tagen Verhandlungen nicht."

Deutsche Wirtschaft warnt vor Scheitern

Die deutsche Wirtschaft warnte eindringlich vor einem Scheitern des G-20-Gipfels und vor neuen Strafzöllen. Die Staaten müssen ein Zeichen gegen Protektionismus und für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO setzen, die stark und handlungsfähig sein müsse, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. Wenn man gegeneinander arbeite, "kostet das Wohlstand, Jobs und Aufstiegschancen - überall auf der Welt." In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab.

Die EU befürchtet, dass Trump bald Strafzölle gegen Autobauer aus Europa verhängen könnte, die Deutschland besonders treffen würde. Es wurde erwartet, dass die Kanzlerin in ihrem Gespräch mit Trump am Freitag versucht, solche Sonderabgaben abzuwenden. Der Präsident des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer forderte, "die Weichen wieder in die richtige Richtung zu stellen" - insbesondere hoffe man auf eine konstruktivere Rolle der USA.

Ukrainischer Präsident hofft auf Merkels Hilfe

Vor allem die Eskalation zwischen der Ukraine und Russland dominiert den Gipfel. Die Kanzlerin will am Samstag mit Putin über den Konflikt sprechen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt auf ihre Hilfe. Eine Lösung des Konflikts werde es nur im Gespräch geben, sagte Merkel in Berlin. "Es gibt keine militärische Lösung." Die Ukraine mahnte sie, "klug zu sein".

Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert. Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe wurden in russische Gewalt genommen. Es fielen Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt. Die ukrainische Regierung forderte die G-20 auf, Putin zum Einlenken zu bewegen. "Das Ergebnis des Gipfels muss mindestens die Freilassung der 24 Soldaten sein", sagte Vize-Informationsministerin Emine Dzhaparova.

Ganze Straßenzüge im Zentrum abgeriegelt

Die Sicherheitsvorkehrungen in Buenos Aires sind massiv. Die Sorge vor dramatischen Bildern wie beim G-20-Gipfel in Hamburg ist groß. Ganze Straßenzüge im Zentrum wurden abgeriegelt. Die Regierung des liberalen Präsidenten Mauricio Macri steht ohnehin schon unter Druck, weil das Land in eine tiefe Krise mit hoher Inflation gerutscht ist.

Der G-20 gehören die Europäische Union und 19 führende Wirtschaftsnationen an: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA.

(APA/DPA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

U.S. President Donald Trump and Chinese President Xi Jinping meet after the G20 in Buenos Aires
Außenpolitik

Handelskrieg: Was die Feuerpause zwischen USA und China bedeutet

G20. Die Vereinbarung zwischen Trump und Xi war das bestmögliche Ergebnis der Zusammenkunft. Gelöst ist der Disput zwischen den weltgrößten Wirtschaftsmächten jedoch keineswegs.
US-Präsident Donald Trump (re.) und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping (li.).
Österreich

USA verzichten 90 Tage lang auf neue Strafzölle gegen China

Ein Abendessen im Zeichen des Handelskonflikts: Donald Trump und Xi Jinping haben sich darauf verständigt, dass China mehr US-Produkte kaufen wird. Die USA setzen dafür weitere Zollerhöhungen aus - sofern man auch bei anderen Themen einig wird.
Argentiniens Präsident, Mauricio Macri (hinten rechts), und US-Präsident Trump mit ihren Frauen beim G20-Gipfel.
Außenpolitik

G20-Gipfel in Buenos Aires: Der Aufmarsch der Alphas

Der G20-Gipfel sollte sich um globale Fragen wie Welternährung und Arbeit drehen – wurde aber von aktuellen Konflikten wie dem zwischen den USA und China überschattet. Zu einer Erklärung rang man sich trotzdem durch.
Außenpolitik

G-20-Staaten einigen sich in Buenos Aires auf gemeinsame Erklärung

Bei wichtigen Themen wie Handel, Klimaschutz und Migration mussten starke Meinungsunterschiede offenbar hinter Kompromissformeln versteckt werden.
Mitglieder der nationalen Gendarmerie Argentiniens marschieren vor dem Gipfel der Gruppe 20 in Buenos Aires vor einem gesicherten Gebiet.
Österreich

G-20-Gipfel: Der Kampf um die Weltwirtschaft

Donald Trump und Xi Jinping treffen in Buenos Aires zusammen, um den ultimativen Handelskrieg abzuwenden. Scheitern die Präsidenten der USA und Chinas, droht eine globale Rezession.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.