Schimmelpilze im Schafspelz

Im Labor werden Schimmelpilzgifte chemisch auf ähnliche Weise verändert, wie dies Pflanzen natürlicherweise zur Abwehr der Pilze machen.
Im Labor werden Schimmelpilzgifte chemisch auf ähnliche Weise verändert, wie dies Pflanzen natürlicherweise zur Abwehr der Pilze machen.(c) Stanislav Kogiku
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Die Chemikerin Julia Weber konnte mit den Erkenntnissen ihres Dissertationsprojekts neue Referenzsubstanzen zum Auffinden maskierter Schimmelpilzgifte herstellen.

Lässt man ein Stück Brot längere Zeit liegen, wird es hart und von einem grünpelzigen Schimmelpilz befallen – jeder kennt das. Das verschimmelte Brot enthält krebserregende Stoffe (Mykotoxine) und ist als Lebensmittel gesundheitsschädlich. Es gibt aber auch Schimmelpilzgifte, die bei Lebensmittelprüfungen im Labor nicht erfasst werden können. Man spricht von sogenannten maskierten Mykotoxinen.

„Um maskierte Mykotoxine bei Lebens- oder Futtermittelprüfungen zu erkennen und ihre Menge bestimmen zu können, benötigt man Referenzstoffe, die bis dato in reiner Form und ausreichender Menge nicht vorhanden sind“, erläutert Julia Weber. Ein mögliches Szenario von Schimmelpilzgiften in der Nahrungskette besteht etwa im Befall von Mais, der als Futtermittel für die Kühe dient. Durch den Verzehr der schimmligen Pflanze werde die Milch der Tiere kontaminiert, so die Wissenschaftlerin. Weil maskierte Mykotoxine sehr hitzebeständig sind, werden sie beim Kochen oder Backen nicht zerstört. So können sie in die Nahrungskette gelangen, auch z. B. in Gebäck oder Bier.

Chemisch veränderte Gifte

Julia Weber, Projektassistentin am Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien, hat mit ihrer Dissertation neue Methoden zur Herstellung von maskierten Mykotoxinen erforscht, die wichtige Referenzstoffe für Lebensmittelprüfungen sind. Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts arbeitete sie eng mit dem IFA Tulln (Department für Agrartechnologie der Universität für Bodenkultur Wien) zusammen. Für ihre Forschungsergebnisse erhielt sie im Oktober den „Wissen schaf(f)t Zukunft Preis 2018“ des Landes Niederösterreich.

Pflanzen, wie etwa Gerste oder Weizen, wehren sich gegen Schimmelpilzbefall, indem sie die Pilzgifte einem Stoffwechsel unterziehen. Als Folge bilden sich maskierte Mykotoxine. Diese Gifte sind in ihrer Struktur chemisch verändert und werden bei bisherigen Routineanalysen in der Lebensmittelindustrie nicht erfasst. Sie tragen aber zum Gesamtgehalt einer Lebensmittelprobe bei. Im menschlichen Körper können sie über den Verdauungsprozess wieder in das ursprüngliche Pilzgift rückverwandelt werden und zu gesundheitsschädlichen Folgen führen.

In Europa häufig vorkommende Schimmelpilzgifte sind etwa Zearalenon und Deoxynivalenol. Eine wichtige Reaktion in Pflanzen im Zuge der Abwehr solcher Fremdstoffe ist die Glykosylierung, die Verzuckerung. Um die Wege des Metabolismus – des Stoffwechsels – in den Pflanzen genau zu verstehen, werden Referenzsubstanzen benötigt. Eine Glykosylierungsreaktion wird exemplarisch im Labor durchgeführt, indem das Mykotoxin mit einem Glykosyldonor – einem Zuckermolekül – in einem Lösungsmittel aufgelöst wird. Durch Zugabe eines Aktivators, zum Beispiel Silbersalze, startet eine Reaktion, die bis zum vollständigen Verbrauch der Ausgangsstoffe gerührt wird. Nach der Reinigung des Rohprodukts mittels einer säulenchromatografischen Methode – einem chemischen Trennverfahren – kann diese Substanz in einer Folgereaktion eingesetzt werden, um identische Glykoside analog zu jenen der Pflanze herzustellen. Mit diesen Verbindungen kann schließlich die Struktur des in der Pflanze vorkommenden maskierten Mykotoxins bewiesen und dessen Toxizität untersucht werden.

Heuer stellte Weber einen Antrag für ein Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium, der mittlerweile bewilligt wurde. Demnach wird sie ihre Forschungstätigkeit ab Jänner 2019 an der Universität Utrecht in den Niederlanden fortsetzen.

Fragt man sie, warum sie sich für das Studium der Technischen Chemie entschieden habe, erzählt sie, dass sie in der siebenten Klasse eines Wiener Bundesgymnasiums mit sprachlichem Schwerpunkt von einem Chemielehrer unterrichtet wurde, der ihr Interesse für Chemie weckte. „Nachdem ich kein Sprachentalent bin und gern eine Naturwissenschaft lernen wollte, die sehr vielseitig ist, habe ich mich dann für Chemie entschieden“, sagt Weber. Kochen zählt neben Reisen, Schwimmen und Wandern zu ihren Hobbys. „Die Chemie ist ja dem Kochen etwas ähnlich“, sagt die Forscherin ein wenig schmunzelnd.

ZUR PERSON

Julia Weber wurde 1987 in Wien geboren, maturierte 2005 am BRG Rahlgasse in Wien und studierte daraufhin Technische Chemie an der
TU Wien. Im Jahr 2017 promovierte sie mit dem Thema „Neue Methoden zur Synthese von glykosylierten Naturstoffen mit Anwendung auf maskierte Mykotoxine“. Im Oktober erhielt sie den „Wissen schaf(f)t Zukunft Preis 2018“ des Landes Niederösterreich.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2018)

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