Für den ganz großen Euro-Wurf ist es zu früh. Es braucht eine Debatte, es braucht Reformen in den Staaten. Und Regeln, die auch eingehalten werden.
Auf Facebook hat es sich schon rumgesprochen. Eine deutsche Textilkette, ein Fetzentandler, wird für seine spottbillige Chinaware wieder Schilling nehmen. „Schluss mit dem (T)Euro!“ heißt die Aktion. Das bringt Likes und Aufmerksamkeit. Aber vor allem wirkt es retro und verstaubt. Der Spruch könnte von Rechtspopulisten anno 2012 stammen, als die Eurokrise den Höhepunkt erreichte. Aber mit Euro-Bashing lässt sich längst keine Wahl mehr gewinnen. Weder in Österreich noch in Deutschland oder Italien.
20 Jahre nach seiner Einführung als Buchgeld hat der Euro sich etabliert. Im Denken, auf den Märkten und als zweite Reservewährung nach dem Dollar. Trotz aller Schwierigkeiten (etwa mit Griechenland) ist die Währungsunion eine Erfolgsgeschichte. Zwar sitzen auf der anderen Seite des Atlantiks immer noch Ökonomen, die das Ende des Euro jeden Moment erwarten – aber die verstehen nicht, was wir Europäer geschafft haben. Wir haben uns dort zusammengetan, wo es keine Sprachbarrieren gibt. Bei den Zahlen.
Klar gab es viele Rückschläge. Aber der Euro funktioniert. Die Frage, ob sie sich durch den Euro mehr als Europäer fühlen, beantworten heute 38 Prozent der Österreicher mit Ja. Nur in Malta ist die Quote höher. Weder in Italien noch in Griechenland würde sich je eine Mehrheit für den Euroausstieg finden.
Die Menschen am Mittelmeer wissen sehr gut, dass die Geldpolitik in Frankfurt ganz gut aufgehoben ist – weit weg von den eigenen Politikern. Lang genug mussten die Menschen unter den Effekten der Inflation leiden. Lira und Drachme akzeptieren heute nicht mal Kleidungsdiscounter im Weihnachtsgeschäft. Wozu auch?
Die Verklärung des Schilling hält einem Realitätscheck auch nicht stand. Es gab auch vor dem Euro Teuerung. Und nachdem der Wechselkurs ohnehin an die Deutsche Mark gebunden war, konnte Österreich nicht einmal seine eigene Geldpolitik bestimmen. Das kleine Österreich kann heute also mehr mitreden als zuvor. Theoretisch. Praktisch sind wir bei der letzten „Eurokrise“ stehen geblieben. Es fehlt bei uns an einer öffentlichen Debatte. Nachdem der Euro während der Griechenland-Krise verteufelt wurde, wird das Thema heute ausgespart. So sollte es aber nicht sein. Dafür ist das Thema zu wichtig. Nehmen wir die neueste Euro-Reform. Die Verhandlungen waren hart, die Ergebnisse mau. Es scheint, als wäre Europa wieder festgefahren. Aber ist das wirklich schlimm?
Alles, was der Euro bisher erreicht hat, ist ohne die ganz großen Brocken der Vergemeinschaftung geschehen. Es wurden zwar ad hoc Institutionen wie der Stabilitätsmechanismus geschaffen, und die EZB hat mit hoch umstrittenen Mitteln eingegriffen – aber noch gibt es weder einen Euro-Finanzminister noch ein Eurobudget oder Eurobonds. Das ist an Deutschland gescheitert. Und Berlins Interessen decken sich mit denen Wiens, da hat sich seit den D-Mark-Tagen wenig geändert.
Unsere Position ist heute dieselbe wie vor 20 Jahren, und sie ist richtig: Wenn die Währungsunion zum Bankomaten verkommt, über den der Norden den Süden finanziert, wird sie garantiert scheitern. Soll heißen: Berlin, Wien, Amsterdam und Helsinki lehnen weiter Integrationsschritte nicht ab. Aber sie werden auch nichts überstürzen.
Instrumente wie Eurobonds werden eines Tages notwendig sein, wenn der Euro eine vollwertige Alternative zum Dollar werden soll. Und davon wird jetzt ja wieder geredet. Aber aktuell braucht es keine großen Würfe. Es braucht harte Arbeit in den Hauptstädten. Es braucht Reformen und die Sanierung von Staatshaushalten. Es braucht den Beweis, dass wir uns alle an unsere eigenen Regeln halten können. Nur das kann die Unterstützung der Bevölkerung sichern – und die ist für große Schritte essenziell.
Der Euroeinführung am 1. Jänner 1999 sind fast 40 Jahre an Vorbereitung vorausgegangen. Es wäre leichtsinnig, das Erreichte durch überhastete Reformen zu gefährden. Auf den Dollarscheinen heißt es: „In God we trust.“ Auf den Euroscheinen sollte „nur nicht hudeln“ stehen. In allen 24 EU-Sprachen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2018)