Misstrauen der Staaten hemmt Vertiefung der Eurozone

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Die Chefs der Eurostaaten sollen nächste Woche kosmetische Änderungen beschließen.

Brüssel. 20 Jahre nach seiner Taufe ist der Euro weiterhin eine Schönwetterwährung. In Krisenzeiten hängt sein Bestand von spontaner politischer Improvisation der Regierungen ab. Das Bekenntnis zu Haushaltsdisziplin ist auf dem Papier des Stabilitätspakts mit Geldbußen bewehrt, welche nie politische Praxis werden. Aktuelles Beispiel: das Ringen mit der italienischen Regierung um deren Budgetentwurf für das Jahr 2019. Dieser verstößt klar gegen die Verschuldungsregeln. Bis auf mündliche Erklärungen aus Rom, nachzubessern, liegt vorerst nichts vor.

Die Reaktion der Eurogruppe? „Der Fall Italiens verdient besondere Aufmerksamkeit. Wir empfehlen, dass Italien die nötigen Schritte setzt“, sagte Eurogruppenchef Mário Centeno am Dienstagmorgen nach der 18-stündigen Sitzung in Brüssel.

Nach diesen 18 Stunden traten die Finanzminister vor die Welt und verkündeten die große politische Einigung über die Reform der Eurozone. In Wahrheit haben sie alle strittigen Fragen an die Chefebene delegiert. Am Freitag nächster Woche sollen die 19 Staats- und Regierungschefs der Euromitglieder darüber befinden, was mit dem heikelsten Dossier geschehen soll: der Schaffung eines eigenen Haushalts für die Eurozone, wie Frankreich dies wünscht.

Was also haben die Finanzminister in der langen Nacht auf Dienstag beschlossen? Und was nicht? Ein Überblick der drei wesentlichen Probleme.

Zwist wegen Eurobudget

Der Herzenswunsch von Frankreichs Präsident Macron – ein mit Hunderten Milliarden Euro gefülltes Budget, nur für die Euromitglieder – ist derzeit unerfüllbar. „Es gab keine Entscheidung“, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger auf die Frage der „Presse“. Es bestehe „weiterhin Dissens“ zwischen „jenem Land, welches das am meisten wünscht, Frankreich, und jenem, welches das ablehnt, den Niederlanden“. Deutschland stehe „in Zurückhaltung“ an französischer Seite. Nicht einmal darauf konnten sich die Minister einigen, dass so ein Eurozonenhaushalt einer Rückversicherung für die nationalen Arbeitslosenversicherungssysteme Geld leihen soll. Was also nun? Die Chefs der Euromitglieder sollen nächste Woche darüber befinden, wie es mit dem Eurozonenbudget weitergehen soll.

Keine Einlagensicherung

Wie verhindert man, dass in einer Währungszone die Probleme einer Bank zu einer Panik der Sparer anderer Banken führen, welche diese wiederum wie in einem Dominoeffekt stürzen lässt? Durch eine gemeinsame Einlagensicherung. So eine hat die Kommission vor Jahren vorgeschlagen – und sie wird von der nördlichen Staatengruppe um Deutschland abgelehnt. Ihr Verdacht: Banken in den Mittelmeerländern würden Kunden mit irrealen Zinskonditionen locken und sich bei Problemen mit der Zahlungsfähigkeit an der Euro-Einlagensicherung schadlos halten. „Mehr Arbeit ist nötig, bevor wir uns auf einen Fahrplan einigen können, um politische Verhandlungen aufnehmen zu können“, sagte Eurogruppen-Chef Centeno. Ein Arbeitskreis soll sich bis Juni 2019 Gedanken dazu machen.

Eine Art Euro-IWF

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist die wesentliche Neuschaffung, welche aus der Eurokrise des vergangenen Jahrzehnts entstand. Er hat dafür gesorgt, dass eine Existenzkrise der Währung vorerst abgewendet werden konnte. Doch im Fall einer plötzlichen Bankenkrise sind ihm die Hände gebunden. Ab 2024 soll sich das ändern: Der ESM soll dann dem Notfallfonds, in den Europas Banken einzahlen müssen, eine Kreditlinie gewähren dürfen. Doch auch das ist schon längst beschlossen. Einzige Neuerung vom Dienstag: Sollte sich 2020 „das Risiko eines Bankenkollaps“ als stark gesunken erweisen, könnte der ESM schon früher kreditieren. Doch diesfalls wären diese Nothilfen eigentlich gar nicht nötig. Der ESM soll als aufgewerteter europäischer IWF auch unverschuldet in Finanzprobleme geratenen Euromitgliedern Kredite geben können: Auch das war eigentlich bereits vereinbart.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2018)

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