Die papierne Hochzeit in Türkis-Blau

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache schritten am Dienstag im Dachgeschoß der Wiener Hofburg zur gemeinsamen Pressekonferenz.
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vize Heinz-Christian Strache schritten am Dienstag im Dachgeschoß der Wiener Hofburg zur gemeinsamen Pressekonferenz.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache zogen ihr Resümee über das erste Koalitionsjahr. Einigkeit wurde demonstriert – wenn es nicht gerade um Soros oder Waldhäusl ging.

Wien. „Da ist alles noch frisch, wir sind beide in dem Jahr sichtbar jünger geworden, und es macht Spaß.“ Mit diesen Worten zelebrierte Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Dienstag neben Kanzler Sebastian Kurz die „papierne Hochzeit“, wie der FPÖ-Chef die türkis-blaue Partnerschaft nach einem Jahr titulierte.

Zwar jährt sich erst am 18. Dezember der Tag, an dem sich ÖVP und FPÖ vor dem Bundespräsidenten das Jawort gaben. Drei Tage zuvor war der Koalitionspakt unterschrieben worden. Aber bereits gestern luden Kurz und Strache zu einem gemeinsamen Resümee über das erste Jahr ins Dachgeschoß der Wiener Hofburg.

Der Kanzler setzte dabei auf ein staatstragendes, auch stark außenpolitisch geprägtes Statement. In Deutschland herrsche politische Unsicherheit, in Italien gebe es eine gefährliche Schuldenpolitik und in Frankreich Szenen von Gewalt auf der Straße. „So gesehen kann man sagen, Österreich ist eine Insel der Seligen. Aber dass Österreich so gut dasteht, ist keine Selbstverständlichkeit“, meinte Kurz. Und er warb naturgemäß für das Regierungsprogramm. In der Migration herrsche nun Ordnung statt Chaos, finanzpolitisch stehe Entlastung statt neuer Steuern an.

Angriffe auf die SPÖ

Während Kurz eher darauf achtete, mit ruhiger Körpersprache Bilanz zu ziehen, gestikulierte Strache mit seinen Händen deutlich. Auch inhaltlich legte es der FPÖ-Chef angriffiger an. „Die Opposition, die Sozialdemokratie, versucht immer wieder, mit falschen Behauptungen Unsicherheit zu schüren“, sagte Strache. Etwa beim Thema Sozialversicherung oder Arbeitszeit, aber mit dieser Kritik an der Regierung „disqualifiziert sich die Sozialdemokratie einfach selbst“, meinte der frühere Oppositionsführer und jetzige Vizekanzler.

Eine Botschaft der Regierung war einmal mehr, dass man nach außen hin zusammenhalte, auch wenn es zuvor intern Diskussionen gebe. Ausgerechnet am Dienstag wurden aber Meinungsunterschiede offenbar. Etwa, wenn es um das am Freitag geschlossene Quartier für bestimmte jugendliche Asylwerber in Drasenhofen ging.

Kurz stellte sich hinter Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die das Quartier nach Kritik der Jugendanwaltschaft an Stacheldraht und Ausgehverboten räumen ließ. „Es braucht maßgeschneiderte Lösungen, aber im Einklang mit unseren Gesetzen“, sagte Kurz. Strache schlug sich auf die Seite von FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, der das Quartier initiiert hatte. Die darin befindlichen Jugendlichen sollen ja nicht alle „so anständig gewesen sein“, meinte Strache – und sie seien auch gar nicht in ihrer Freiheit beeinträchtigt worden.

2019: Pflege, Steuern, Digitales

Die Übersiedlung der von George Soros gegründeten Central European University von Ungarn nach Wien sah Strache ebenfalls kritisch. Er sprach von einer „Wanderuniversität“. Kurz bewertete die Übersiedlung nach Wien hingegen als „positive Bereicherung“.

Für das nächste Jahr versprechen Kurz und Strache Reformen. So nimmt sich die Koalition für 2019 die Themen Steuern, Pflege und Digitalisierung vor. Zur Pflege will die Regierung nach dem heutigen Ministerrat weitere Details bekannt geben. Die Steuerreform soll bei der Regierungsklausur im Jänner erstmals erörtert werden und ab 2020 gelten. Für 2019 machte Kurz klar, dass Spitzenpolitiker eine Nulllohnrunde erhalten sollen, die zweite in Folge.

Internationale Journalisten sprachen Kurz auf Medienberichte an, laut denen er die Rechtsextremen salonfähig gemacht habe. Darauf wollte der Kanzler aber nicht inhaltlich eingehen. Er betonte jedoch, dass er einst auch für seine Migrationspolitik kritisiert worden sei, eben diese aber nun in Europa die vorherrschende Meinung sei.

„Ein Politiker, der ständig auf mediale Berichterstattung und Meinungsumfragen schielt, ist auf dem falschen Weg“, meinte Kurz grundsätzlich. Das gefiel Strache, der nun noch ergänzte: „Wer zur Quelle kommen will, muss fleißig gegen den Strom schwimmen.“
Und so verließen Kurz und Strache das Podium wieder geeint.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2018)

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