Die zynischen Machtspiele im Jemen müssen ein Ende haben

Der Konflikt im Jemen wurde von anderen Kriegen überschattet: Die internationale Aufmerksamkeit galt dem Blutbad in Syrien, dem Chaos im Irak, dem gefährlichen Aufstieg des IS.
Der Konflikt im Jemen wurde von anderen Kriegen überschattet: Die internationale Aufmerksamkeit galt dem Blutbad in Syrien, dem Chaos im Irak, dem gefährlichen Aufstieg des IS.(c) APA/AFP/MOHAMMED HUWAIS
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USA und Europäer sind mitverantwortlich für das Sterben im arabischen Land: Ihr saudischer Alliierter führt hier einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran.

Die Bilanz ist schrecklich: 10.000 Menschen sind ums Leben gekommen, Millionen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die wenigen Bilder, die aus dem abgeschotteten Krisengebiet dringen, zeigen abgemagerte Kinder. Der Krieg im Jemen ist laut UNO eine der schlimmsten Katastrophen der Gegenwart. Jetzt wurde in Stockholm ein neuer internationaler Anlauf gestartet, das Leid der Menschen an der Südspitze der arabischen Halbinsel zu beenden. Dafür ist es höchste Zeit. Viel zu lang wurde dabei zugesehen, wie die Kriegsparteien mithilfe ihrer jeweiligen Unterstützer Saudiarabien und Iran das bitterarme Land verwüsten.

Der Konflikt im Jemen wurde von anderen Kriegen überschattet: Die internationale Aufmerksamkeit galt dem Blutbad in Syrien, dem Chaos im Irak, dem gefährlichen Aufstieg des IS. Dass es – anders als bei Syrien – aus dem Jemen kaum Flüchtlinge bis nach Europa geschafft haben, hat dazu wohl auch beigetragen.

Doch wichtige europäische Staaten und die USA tragen eine Mitverantwortung für das Sterben im Jemen. Natürlich ist das Fiasko in dem arabischen Land zu großen Teilen hausgemacht: Der Streit zwischen den Rebellen der Houthi-Minderheit und der Regierung wird seit vielen Jahren mit Waffengewalt ausgetragen. Dazu kommt der Machtkampf zwischen dem international anerkannten Staatsoberhaupt Abed Rabbo Mansour Hadi und den Anhängern des Ende 2011 gestürzten und mittlerweile getöteten Präsidenten Ali Abdullah Salih. Doch es geht um mehr: So wie in anderen Krisen haben externe Mächte den Konflikt dazu genutzt, um an den lokalen Streitparteien anzudocken. Was als jemenitischer Bürgerkrieg begonnen hat, ist zu einem regionalen Stellvertreterkrieg geworden.

Der wichtigste Strippenzieher dabei ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. MbS, wie er in der Region genannt wird, gilt als Architekt der saudischen Intervention im Jemen. Saudiarabien unterstützt Jemens Regierung gegen die Houthi-Rebellen. Bei den Luftangriffen der von Saudiarabien geführten Allianz wurden viele jemenitische Zivilisten getötet und die Infrastruktur zerstört. Die Flugzeuge und Bomben dafür stammen vor allem aus den USA. Aber auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland lieferten in großem Maßstab Rüstungsgüter an das Königreich am Golf. Österreichische Firmen verkauften noch vor ein paar Jahren Kleinwaffen und Munition an Saudiarabien.

Es ist nicht der Krieg im Jemen, sondern der Mordfall Khashoggi, der nun einige Verbündete – zumindest etwas – auf Distanz zum saudischen Thronfolger gehen lässt. Deutschland will Waffenlieferungen an Saudiarabien stoppen. Die anderen großen Lieferanten haben sich dem noch nicht angeschlossen.

Das hat handfeste Gründe. Nicht nur wegen der Waffenexporte ist das erdölreiche Königreich ein wichtiger Wirtschaftspartner. Es ist ein langjähriger Verbündeter, den die USA und Europäer nicht verärgern wollen. Russlands Präsident, Wladimir Putin, dürfte eine diebische Freude daran gehabt haben, bin Salman beim G20-Gipfel vor den Augen der Welt besonders jovial zu begrüßen. Nach dem Motto „Wenn dich deine alten Freunde nicht mehr mögen, bin ich auch noch da“. Eine Strategie, die Putin auch beim Nato-Staat Türkei anwendet.


Die USA brauchen die Saudis, um den Druck auf einen gemeinsamen Feind zu erhöhen: den Iran. Donald Trump hat massive Sanktionen gegen Teheran verhängt, und der saudische Kronprinz will Irans Einfluss in der Region mit allen Mitteln zurückdrängen. Der Jemen ist dabei eines der Schlachtfelder, denn die Houthi-Rebellen werden vom Iran unterstützt. Die Einflussmöglichkeiten der USA und der Europäer auf Teheran halten sich derzeit in Grenzen. Der saudischen Führung könnte man aber sehr wohl klarmachen, dass es im Jemen nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Menschen in dem Land dürfen nicht so einfach für strategische Spiele geopfert werden.

Der Weg zu Frieden ist trotzdem noch lang und steinig. Dabei müssen auch Teheran und die Houthis ihren Teil der Verantwortung übernehmen.

E-Mails an:wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2018)

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