Bittere Gerichtsposse nach tragischem Tod in Venedig

Joachim Vogel stirbt bei einem Gondelunfall in Venedig, seine Frau fordert eine Entschädigung – und wird nun selbst zur Kasse gebeten.

Rom.Als eine Verhöhnung bezeichnet die Zeitung „Corriere del Veneto“ die Entscheidung des Zivilgerichtes in Venedig. Mehr als fünf Jahre nach dem Tod des Tübinger Juristen Joachim Vogel, der bei einer Gondelfahrt in Venedig ums Leben gekommen war, wies das Gericht nun die Entschädigungsforderungen von dessen Witwe Gundula Schäfer-Vogel ab. Sie habe das Vertrauen in das Justizsystem verloren, zitiert die Zeitung die vom Urteil zutiefst getroffene Witwe. „Das ist eine riesige Ungerechtigkeit für mich und meine Kinder.“

Das Urteil ist für die Juristin ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur wurde ihre Forderung abgewiesen: Anstatt eine Entschädigung von sechs Millionen Euro zu erhalten, soll die Witwe nun ihrerseits die Anwaltskosten der Gegenseiten bezahlen: Insgesamt 229.000 Euro. „Dieses Urteil ist einfach beschämend“, sagte Lorenzo Picotti, der Anwalt von Schäfer-Vogel, der „Presse“.

Joachim Vogel, Jusprofessor und Richter aus Tübingen, war am 17. August 2013 in Venedig bei einer Gondelfahrt, die er mit seiner Frau und den drei damals vier-, acht- und zehnjährigen Kindern machte, tödlich verunglückt. Ein Vaporetto war mit der Gondel, in der die Familie saß, zusammengestoßen. Der 50-Jährige fiel ins Wasser und wurde zwischen Pier und Schiff eingequetscht. Der Jurist starb an den Brustverletzungen.

Dem Zivilprozess um die Entschädigung waren bereits Strafprozesse vorausgegangen. Im Juni 2015 waren drei Wasserbusfahrer und ein Wassertaxifahrer zu Bewährungsstrafen von bis zu rund einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Sie hätten sich gegenseitig behindert und die Gefahren ihres Handelns nicht bedacht, so die Begründung des Gerichts. In einem späteren Verfahren war auch ein Gondoliere verurteilt worden, der angehalten und damit die Wassertaxis gezwungen hatte, quasi im Slalom zu fahren.

Anwalt will Urteil anfechten

Der Fahrer der Unglücksgondel hingegen wurde vom Gericht entlastet, da er die Gondel wegen des starken Verkehrs bereits an die Seite gefahren hatte – der Unfall passierte, als er sie gerade geparkt hatte. Gegen ihn als verantwortlichen Fahrer der Gondel waren die Entschädigungsforderungen erhoben worden, die der Richter in Venedig nun aber als nicht begründet abgelehnt hat.

„Wir werden dieses skandalöse Urteil anfechten“, so Picotti. Da die italienische Justizmühle langsam mahle, rechne er damit, dass erneut zwei, drei Jahre ins Land gehen, bis dieser Fall zu einem Abschluss komme. Daher richtet er auch erneut einen Appell an die Versicherungen der Beteiligten. „Nach fünf Jahren müssen die doch handeln und eine Entschädigung für meine Mandantin bereitstellen“, fordert Picotti. „Aber in all diesen Jahren wurde kein einziges Angebot in diese Richtung gemacht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2018)

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