Der Mahner der Nation ist entzaubert

Wer sich berufen fühlt, dem ganzen Land Ratschläge zu erteilen, muss auch in der Lage sein, im eigenen Verein für Ordnung zu sorgen.

Als Rechnungshofpräsident hat er der Verwaltung die Leviten gelesen, als Vorsitzender des Österreich-Konvents wollte er das Land umkrempeln, als Präsident von Transparency Österreich gilt er als beständiger Mahner vor Korruption aller Art. Beinahe hätte das zu Weihen höherer Art geführt: Franz Fiedler war schon des Öfteren als Präsidentschaftskandidat im Gespräch.

Jetzt ist Fiedler ziemlich entzaubert: Er ist nämlich auch Obmann des Akademikerbundes. Und der ist mit recht seltsamen Ansichten – von der völligen Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes über die Aufhebung des Gleichbehandlungsgesetzes bis zur „Frau an den Herd“-Ideologie – an die Öffentlichkeit getreten. Gut, es war die Wiener Landesorganisation des Akademikerbundes, die verhaltensauffällig wurde. Die Bundesorganisation hat da kein direktes Durchgriffsrecht. Aber immerhin ist Fiedler selbst Mitglied der Wiener Organisation, und er musste das Positionspapier seit Monaten kennen. Jetzt hat sich die Bundesorganisation zwar – spät aber doch – von ihren Wiener Funktionären distanziert. Aber Fiedler muss doch schon länger gewusst haben, was sich da unter dem Dach seines Vereins abspielt.

Fazit: Wer der ganzen Nation ständig erklärt, wie sie ihre Probleme lösen soll, muss zuerst einmal in der eigenen Organisation für Ordnung sorgen. Sonst wird er leider unglaubwürdig.


martin.fritzl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2010)

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