UNO-Migrationspakt lässt Belgiens Regierung zerbrechen

Belgiens premierminister Charles Michel taler med pressen da statsminister Lars Loekke Rasmussen V
Belgiens premierminister Charles Michel taler med pressen da statsminister Lars Loekke Rasmussen Vimago/Ritzau Scanpix
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Für die flämischen Nationalisten war der Pakt ein Grund, aus der Regierung auszutreten. Bis zu den Wahlen im Mai 2019 will Ministerpräsident Michel eine Minderheitsregierung anführen.

Die belgische Koalition ist am Streit um den UNO-Migrationspakt zerbrochen. Die Minister der flämischen Nationalisten (N-VA) erklärten am Sonntag ihren Austritt aus dem Viererbündnis, weil Premier Charles Michel gegen ihren Willen auf einer Teilnahme an der UNO-Migrationskonferenz in Marrakesch bestand. Michel will das Land bis zur Parlamentswahl im Mai in einer Minderheitsregierung führen.

In einer Krisensitzung am Samstag vermochten die Koalitionsparteien ihren wochenlangen Streit nicht beizulegen. N-VA-Chef Bart De Wever sagte nach dem Treffen, wenn seine Partei in der Regierung "keine Stimme" mehr habe, dann habe es auch "keinen Zweck" mehr weiterzumachen. Michel bekräftigte, dass er Belgien "als Chef einer verantwortungsbewussten Koalition" bei der UNO-Migrationskonferenz vertreten werde.

König nahm Rücktritt an

Belgiens König Philippe nahm noch am Sonntag die Rücktrittsgesuche der vier N-VA-Kabinettsmitglieder an. Es handelte sich um die Minister für Inneres, Finanzen und Verteidigung sowie um den Staatssekretär für Einwanderung. Premierminister Michel unterbreitete dem König bei einem Treffen seine Personalvorschläge für die Neubesetzung der vakanten Ressorts, wie der Palast mitteilte.

"Ich bedauere, dass es so weit gekommen ist", sagte Michel im Sender RTL-TVI. Nach dem Rückzug der N-VA führt er nun eine Minderheitsregierung, die von seiner liberalen wallonischen Partei, den flämischen Liberalen und den Christdemokraten getragen wird. Die nächsten regulären Parlamentswahlen sind für Mai nächsten Jahres angesetzt.

Michel kündigte an, er werde den Dialog mit dem Parlament suchen. Der Regierungschef warnte vor vorgezogenen Neuwahlen und einer politischen Blockade des Landes. Regierungsbildungen in Belgien gestalten sich unter anderem wegen der sprachlichen und regionalen Unterschiede traditionell schwierig. Die Verhandlungen der aktuellen Koalition zogen sich 2014 über viereinhalb Monate hin. Nach der Wahl 2010 hatte es sogar rund eineinhalb Jahre gedauert - ein Weltrekord.

Zankapfel Migration

Die Migrationspolitik war immer wieder ein Zankapfel in den vier Regierungsjahren der Koalition. Michel hatte am Donnerstag nach einer hitzigen Debatte im Parlament angekündigt, gegen den Willen seines größten Koalitionspartners N-VA zu der UNO-Konferenz nach Marokko zu reisen, wo Anfang der Woche der Migrationspakt bestätigt werden soll.

Die migrationskritischen flämischen Nationalisten, die im belgischen Parlament die größte Fraktion stellen, machten seit Wochen Stimmung gegen den Pakt. Dabei hatte die N-VA ihn zunächst unterstützt. Ende Oktober vollzogen die flämischen Nationalisten dann aber eine Kehrtwende und stellten sich gegen ihre Koalitionspartner.

Michel bat daraufhin das Parlament um Stellungnahme zum Migrationspakt. Die Abgeordneten sprachen sich schließlich am Donnerstag mit breiter Mehrheit dafür aus. Neben der N-VA stimmte nur die fremdenfeindliche Partei Vlaams Belang dagegen.

Der im Juli vereinbarte UNO-Migrationspakt hatte auch in anderen Ländern Debatten ausgelöst. Die USA hatten sich bereits Ende 2017 aus den Verhandlungen zurückgezogen. Andere Staaten folgten, so etwa Österreich, wo die ÖVP/FPÖ-Koalitionsregierung ihre Ablehnung Ende Oktober öffentlich machte. Auch Australien, Israel oder die EU-Mitglieder Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei und Bulgarien lehnen das Abkommen ab.

Bei der UNO-Konferenz am Montag und Dienstag in Marrakesch soll der Migrationspakt bestätigt werden, ehe er dann am 19. Dezember von der UNO-Vollversammlung ratifiziert wird. Der Pakt umfasst eine Reihe von Leitlinien und Maßnahmen, deren Umsetzung rechtlich nicht bindend sind. Im Kern geht es um eine bessere Zusammenarbeit in der Migrationspolitik und um Standards im Umgang mit Flüchtlingen.

(APA/dpa)

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