Streit und Verzug prägen den Gipfel in Katowice. Polen will Kohle noch 200 Jahre lang nutzen.
Katowice. Es läuft nicht, wie es laufen sollte: Die polnische Präsidentschaft der Klimakonferenz COP24 hat Verzögerungen bei den technischen Beratungen beklagt. Das Ziel der ersten Konferenzwoche, auf Fachebene ein bindendes Regelwerk auszuarbeiten, das keine Schlupflöcher lässt und den Stand beim Klimawandel messbar macht, wurde verfehlt. Manche Delegationen der 196 teilnehmenden Staaten rechnen schon damit, dass die Beratungen nicht wie geplant Freitagabend abgeschlossen werden, sondern bis zum Samstag dauern könnten.
Bisher ist aus Katowice vor allem Streit zu vermelden. Zum einen fürchten die Entwicklungsländer, dass sie bei den Klimakosten von den Industrienationen benachteiligt werden. Am Wochenende kam es zudem zu einer wüsten Auseinandersetzung über den aktuellen Bericht des UNO-Weltklimarats IPCC, der 2015 in Paris in Auftrag gegeben worden war. Er empfiehlt dringend eine Eindämmung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius. Bis 2030 müsste der CO2-Ausstoß demnach um 45 Prozent verringert werden. Die USA, Russland, Saudiarabien und Kuwait stemmten sich gegen diesen Bericht. Die USA haben Donald Trumps Versprechen, sich bis 2020 ganz aus dem Pariser Klimaabkommen zurückziehen, erneut bestätigt. Brasilien und Australien erwägen einen ähnlichen Schritt. Allerdings wurde auch unterstrichen, dass viele US-Bundesstaaten weiter zu dem Abkommen stehen.
Ernsthafte Zweifel am Umsetzungswillen erregte auch ausgerechnet der Gastgeber Polen. Anfang der Woche ging etwa das Gerücht um, in Katowice seien absichtlich die Smogmessanlagen für die Zeit des Gipfels ausgeschaltet worden. Dem widersprachen Lokal- und Stadtverwaltung umgehend. Nicht aus der Welt schaffen konnten sie aber die höchst widersprüchlichen Aussagen von Staatspräsident Andrzej Duda bei der Eröffnung. Er unterstrich zwar den polnischen Goodwill und lobte Katowice in höchsten Tönen als „grüne Stadt“, sprach aber zugleich von Kohlevorkommen, die in Polen noch für 200 Jahre reichen sollten. „Niemand wird von uns erwarten, dass wir auf diese Bodenschätze ganz verzichten.“ Unabhängige polnische Experten weisen darauf hin, dass in Polen auch billigere Importkohle verbrannt wird, vor allem aus Russland, den USA und Kolumbien. Zudem hat Polen die Fördermenge von Stein- und Braunkohle in den vergangenen 20 Jahren von 137 Mio. auf rund 65 Mio. Tonnen halbiert. Gerade auf dem Stadtgebiet von Katowice wurden viele Gruben aus wirtschaftlichen – und nicht ökologischen – Gründen geschlossen.
Abbau nicht mehr rentabel
Kritiker weisen auch darauf hin, dass viele der von Duda lobend erwähnten Steinkohlevorkommen tiefer als 1000 Meter unter der Erde liegen, was einen Abbau enorm verteuere. Laut einer unabhängigen Expertise reichen die beim gegenwärtigen technischen Stand wirtschaftlich verwertbaren Vorräte in Polen noch bis ins Jahr 2050. Inwieweit das ökologisch sinnvoll ist, wird indes gern ausgeblendet. In Polen macht unterdessen der Witz die Runde, die COP24 ausgerechnet im Kohlerevier Katowice zu organisieren sei wie ein Konklave im Bordell.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2018)